Morphin
wollten etwas trinken, tanzen gehen …», sage ich.
«Hast du Geld?», fragt Salomé.
«Ich bin Deutscher», sage ich sinnlos. «Ich bin Deutscher geworden.»
Iga versteht nichts.
«Was für ein … Deutscher?», fragt sie.
Wie, soll ich dir das jetzt erklären, Konspiration, Dekonspiration Degeneration Kollaboration.
«Erklär ich später», sage ich knapp. Iga reicht das, für Iga sind Männer, Frauen und Kinder wichtig, keine Polen und Deutschen, Iga ist die Politik egal, Iga ist wirklich eine Frau.
«Also hast du Geld oder nicht?», fragt Salomé noch mal.
Kostek, jetzt ist der Augenblick gekommen, es vor dir selbst zuzugeben, stimmt’s? Schließlich hast du tausend Dollar in der Tasche. Dem Deutschen in der Szucha hast du zweitausend gegeben und die Ausgabe von dreitausend gemeldet. Was hast du dir dabei gedacht?
Nichts, wozu solltest du dir etwas denken, du hast getan, was du getan hast, und ich habe geflüstert, dass es dir zusteht, du hast mein Flüstern nicht gehört, aber das Timbre meiner Stimme, das hast du gehört.
«Ja», erwidere ich.
Ja, ja, ich habe Geld. Tausend Dollar. Was soll ich machen. Es stand mir zu, ich kann nicht ohne Geld sein, es gibt nichts Schlimmeres als geldlose Ohnmacht.
Salomé wird plötzlich weich, warm, süß wie Zucker, ergießt sich träge wie Karamell.
Ihre weichen, weißen Pfötchen um meinen Hals, ich stoße sie zurück, suche Igas Blick, erwarte Verachtung und Abscheu darin, finde aber nur Verlegenheit, Scham, als wäre sie es, die sich vor meinen Augen gerade an einen Freier kuschelt.
«Wenn du Geld hast … dann gehen wir. Ich rufe ein Auto.»
Ich bin perplex.
«Du hast Telefon in der Wohnung?»
Bisher hat sie keins gehabt.
«Was denkst du. Ohne Telefon ist es schwer.»
«Aber wer hat dir das besorgt, jetzt?», schreie ich fast.
Sie lächelt.
«Du kommst auch irgendwie zurecht, nicht wahr, Kostek?»
Ich kann keinen Gedanken fassen.
«Na sag mal … hör mal», sagt mein Mund, meine Stimme, sage nicht ich.
Sie nickt, geht an den Apparat und spricht Russisch in den Hörer.
Iga steht an der Tür, beschämt, schockiert.
«Iga, ich …», fange ich an, schwach, schüchtern, arm, gemein.
«Mich interessiert das nicht, Kostek. Gar nichts interessiert mich», sagt sie. Und schließt mir die Lippen mit einem Kuss.
Schließt sie, das ist der richtige Ausdruck. Das ist kein Kuss einer Geliebten. Obwohl mitten auf den Mund, war es ein Kuss, der die Lippen nicht öffnet, sondern sie miteinander verklebt. Und als sie meine Lippen geschlossen hat, lösen sich ihre Lippen nicht sogleich von meinen, sondern verharren so lange darauf, bis Salomé zurückkommt und unsere Lippen in der Berührung sieht.
Sie klatscht in die Hände und lacht.
Du hast Angst vor ihr, Kostek, große Angst.
«Ich zieh mich nur um, und dann fahren wir. Der Wagen ist gleich da.»
Sie verschwindet hinter der Tür. Da stehe ich mit Iga, peinliches Schweigen, ich meide ihren Blick.
«Kostek, sei so gut, mach mir das Kleid zu», erklingt die Hurenstimme der schrecklichen Salomé hinter der Tür zum Schlafzimmer, in dem ich ihren weißen Leib so viele Male gekostet habe.
Und was sagst du ihr, hast du Willenskraft genug, das abzulehnen? Du wirst glühend rot, willst vor Iga im Erdboden versinken, und Iga schaut weg, angeekelt oder beschämt.
Du gehst hin.
Im Schlafzimmer steht Salomé, vollkommen nackt, mit dem Rücken zu dir. Über die Schulter wirft sie dir einen Blick zu.
«Vielleicht ein bisschen Spaß, bevor wir gehen, Kostek? Möchtest du ein bisschen Spaß mit mir haben? Du kannst deine Bekannte ja einladen, wir kennen uns.»
Sie kommt zu dir, legt eine Hand um deinen Nacken, die andere Hand führt deine Rechte zu ihrem feuchten Schoß.
«Es reicht», sagt mein Mund, mit meiner Stimme.
Und meine Hand schlägt Salomé ins Gesicht, wieder und wieder gebe ich der bösen, gemeinen Salomé eins ins Gesicht, nicht zu kräftig. Sie lacht, fasst sich an die Wange.
«Irgendwann bringe ich dich dafür um, Kostek», flüstert sie mit süßer Stimme und schaut mit süßem Blick.
Rasch zieht sie sich an, ich helfe ihr beim Kleid, wir gehen raus und stehen auf der Dobra, und dort wartet schon ein weißer Adler Diplomat. Zu dritt nehmen wir auf dem Rücksitz Platz. Am Steuer sitzt ein sehr hagerer Mann in einer Kluft, die an eine zerschlissene Hotellivree erinnert, in längst ausgeblichenem Bordeaux. Und eine Chauffeursmütze, rund wie die Mütze der Chevaulegers.
«Zum Adria»,
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