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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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kommandiert Salomé.
    «Zum Adria?», wundere ich mich. «Ich dachte an etwas anderes …»
    Was anderes? Zu viel Zeit im Adria verbracht, stimmt’s, Kostek, dort kennen die Kellner dich, und jetzt sollst du da als Deutscher reingehen, als Abtrünniger.
    «Das ist jetzt nur für Deutsche. Betrifft dich natürlich nicht», erklärt Salomé und legt mir die Hand aufs Knie.
    Der Chauffeur fährt mit Verve die Dobra hoch, biegt in die Tamka ab, zwischen ihren Häusern und Mietskasernen der übliche Verkehr, das Konservatorium, der Pöbel treibt sich herum, das hast du gesagt, Kostek, hinter der Fensterscheibe des Adler, dass der Pöbel sich rumtreibt, das hast du gesagt.
    Der Pöbel treibt sich herum, denke ich.
    Hinter den kleineren Mietshäusern an der linken Seite die verbrannte Kuppel des Zirkus an der Ordynacka, wir biegen in die Ordynacka ab, lassen die Kopernika hinter uns, an der Ecke Ordynacka und Nowy Świat ein ausgebranntes, großes Haus …
    «Halt!», brülle ich. «Halt!»
    Beim Klang des deutschen Wortes erbebt Iga, es kümmert mich nicht. Ich springe aus dem Auto. Springe aus dem Auto, die Trümmer sind beiseitegeräumt, das Pflaster von jüdischen Händen und Spaten in Ordnung gebracht, die Juden räumen auf, bewacht von einem älteren, dicken Gefreiten mit einem alten Gewehr über der Schulter, das Pflaster geräumt, aber auch verwundet, löchrig. Mit einem Satz bin ich am Haus, ausgebrannte Fensterhöhlen, keine Spur von Fensterrahmen, verrußte Mauer.
    An den Wänden Blut. Es fließt aus den Fenstern wie aus Wunden, aus den Wunden an Christi Seite, wie aus leergekratzten Augenhöhlen, Blut fließt über den verräucherten Putz, über die Ziegel, ich fasse das an, ich fasse das mit den Händen an und mache mir die Hände schmutzig. Menschen gehen vorüber, einer im langen Mantel, eine Frau mit einem Kinderwagen voller Töpfe und Schmorpfannen aus Messing, Pole, Jude, Deutscher, weiß Gott, Blut macht mir die Hände schmutzig, schmutzig, guter Gott.
    Schwarze Götter neigen sich über die Stadt wie vom Wind gebeugte Pappeln am Straßenrand, dunkle Kühle, kaltes Schwarz, der Götter Blut fließt aus den ausgebrannten Fenstern des Eckhauses Nowy Świat  60 , Ordynacka  16 , Blut an deinen Händen ist kein Blut, an deinen Händen nicht.
    Der Chauffeur und Salomé fassen dich sanft an den Ellbogen, heben dich von den Knien, Salomé klopft dir besorgt den Straßenstaub von den Hosenbeinen, Kostek, rührend ist deine kleine Hure, gut ist diese böse Hure aus der Dobra, Salomé, verbrannte Fenster, Salomé.
    Degeneration Insemination Staatsraison. Die Wände mit Rötelstift bemalt.
    «Konstanty, was ist mit dir?»
    Igas Stimme, Igas Stimme. Iga.
    «Kostek, lieber Kostek …», flüstert Iga, ihre Hand auf meiner, auf meinem Gesicht ihre Hand.
    Und ich komme zurück.
    Ich bin wieder bei Sinnen, stehe auf der Straße, die Leute gucken mäßig interessiert und mäßig erstaunt zu uns her.
    «Ich werde dich heilen, Kostek, bald werde ich dich heilen. Aber jetzt lass uns fahren, mein Schöner.»
    Wer sagt das, ist es Salomé? Wer sagt das? Oder sagt das Iga?
    Ich sage es, Kostek.
    «Ich sage es», sage ich.
    Also fahren wir, die Warecka, Hauptpostamt, Napoleonplatz, Prudential, graubraun sind die Menschen unterwegs, hinter dem Mietshaus von Goldstand biegt der Adler in die Moniuszko ab, Reifen quietschen, die Jesus-Kirche – was für ein Name, Jesus, hängt er vielleicht hier? –, der Adler neigt die Flügel, um zwischen die Mietshäuser und die verbrannte, blutige Philharmonie zu passen, seine Federn streifen die blutigen Mauern, aber er passt, Schnabel aufgerissen, rosig die Reptilienzunge in diesem Schnabel, wir halten vor dem Adria an, Adler Adria Adler Adria die blaue Adria.
    Kostek!
    Ich steige aus, weiße Reifen auf dem blutigen Pflaster, in Blutlachen blutige Reifen, Blut fließt aus den Fenstern der Philharmonie, aus den Fenstern hängen blaugraue Girlanden gigantischer Gedärme, ihr Blut fließt aus dem Fenster.
    Ich steige aus, steige schwankend aus.
    Kostek, bleib tapfer, Kostek, du schaffst es, komm zu dir, Kostek.
    Ich bezahle den Chauffeur, bezahle ihn großzügig, in Dollar.
    Iga an meiner linken Seite, Salomé an meiner rechten, an meiner Hutkrempe hängen Zapfen, hängt der Rotz gerinnenden Blutes. Wir betreten das Adria. Die Cafés oben lassen wir links liegen, ebenso die amerikanische Bar, ich weise die Kennkarte und mein Wiener Deutsch vor, wir schweben die Treppe hinunter zum

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