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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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wir in der Welt versanken, bei denen aus unseren Schößen eine neue Welt geboren wurde, und wir die alte Welt durch unsere Münder verschlangen, und die schwarzen Götter zwischen uns wandelten und unsere Leiber berührten, Kostek, wenn dieser Dummkopf solche Dionysien gesehen hätte, wäre er vor Angst gestorben, gestorben, weil er vielleicht begriffen hätte, was die schwarzen Götter, die Titanen sind, und dass wir nur zwischen den Säulen ihrer Beine hindurchhuschen.
    Doch solche Dionysien sah er nie, er wollte nur viele nackte Frauen sehen, keine Mädchen und keine professionellen Huren wollte er sehen, sondern die Körper von Ehefrauen und Müttern, entblößt vor ihm und vor anderen, die für dieses Vergnügen bezahlt hatten, Kostek, aber um diese dummen Mütter und Ehefrauen auf das Landgut bei Kobryń zu locken, musste er ihnen bieten, was sie selbst begehrten. Manche wollten durchaus eben nackt vor fremden Männern stehen und ihre klebrigen Blicke, Finger und Samen spüren, doch das waren wenige, die meisten wollten ihrem leeren Leben mehr Bedeutung verleihen, einem Leben zwischen Kindern, Dienstmädchen, offenem Haus an Donnerstagen oder Montagen, zwischen Teekränzchen bei diesen oder jenen Herrschaften, zwischen Karnevalsfesten, unangekündigten Besuchen und Debütantenbällen, auf denen sie ihre heranwachsenden Töchter präsentieren.
    Diese Mütter und Ehefrauen waren freudig dazu bereit, dass man sie auszog, wie Tiere begrapschte, sie wie Gegenstände behandelte und mit ihnen kopulierte wie mit Gegenständen, solange das nur mit dem Glauben einherging, dass sie dabei etwas für ihre Leben Wichtiges erfahren, dass diese Orgien, diese Geißelungen und Tänze nach dem Vorbild der antiken Fresken von Pompei ihrem Dasein irgendeine Tiefe verleihen. Dass sie, wenn sie dieses Geschwätz von Geist und Materie nicht anhören, wenn sie nicht an dieses einfältige Nachplappern der Theosophie, an die Suche nach den sexuellen Chakras, an die Befreiung glauben, verschwinden würden, sich auflösten in ihren Kindern, im geselligen Leben, das sie begraben, in Gräbern verschwinden und sich in der Erde auflösen und nichts von ihnen bleiben würde, keine Erinnerung, nicht einmal eine Spur auf den Fotografien.
    Sie täuschten sich, natürlich, und werden der Reihe nach alle verschwinden, so wie auch du verschwinden wirst, Kostek, wie Iga verschwinden wird und Salomé, ohne auch nur einen Schatten zu hinterlassen, Kreise auf dem Wasser, ein Hauch von Wind, leere Schalen, nichts als Fels und sandiger, wasserloser Weg.
    Und wie unterschiedlich sie verschwinden, manche überleben den Krieg, andere nicht, sie sterben im Feuer oder durch die Kugel oder am Krebs, sie sterben glücklich oder verzweifelt, nach eigener Vorstellung erfüllt oder nach eigener Vorstellung unerfüllt, befriedigt oder bis zum traurigen Ende unbefriedigt.
    Traurig, denn jedes Ende ist traurig. Oder nein, vielmehr liegt das Wesen der Traurigkeit im Ende und im Vergehen.
    Und nur ich vergehe nicht, ich – der Schatten, dein kleines Liebchen, ewig nichts, ich, die dir nachgeht, Schatten eines Schattens.
    Zwanzig Frauen waren dort, brünette, blonde, dicke und dünne, solche mit großen, schweren Titten und solche mit mädchenhaften, kleinen Brüsten, alle aufreizend durch den Reiz reifer Frauen, und sie taten, wie ihnen geheißen war: Sie sangen Lieder in stümperhaftem Gymnasiastengriechisch, zogen sich aus, ehrten das Mannesglied des graubärtigen Schafskopfs und nannten ihn albern den Herrn Priap, zerrissen das Zicklein – und ein Zicklein zu zerreißen ist nicht leicht, deshalb behalfen sie sich mit Messern –, das Zicklein war auch schon vorher getötet worden, weil Herr Priap fürchtete, sie würden es nicht töten können, sie tranken das Blut des Zickleins und machten sich dabei sogar vor, sie würden das in Ekstase tun, dabei half ihnen der Wein, das reichlich servierte Kokain und die Tatsache, das man sich selbst leichter betrügt als andere.
    Solche Frauen waren die meisten.
    Außer ihnen gab es noch zwei, die ganz einfach tierische Kopulation wünschten, Besteigung ohne eine Spur von Intimität, eine Kopulation, die sie mit dem verschlafenen Ehemann oder mit dem zärtlichen jungen Geliebten nie erleben konnten, und diese tierische Kopulation auf dem Gut bei Kobryń war ihnen zugesichert worden. Aber ob sie die Leere in sich füllen konnten, indem sie die Höhlen ihres Leibes mit Mann füllten? Sie wollten tierisch begehrt sein, wollten

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