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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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und Deutschen vorwirft, ganz normal menschlich ist. Kostek taucht ins Schwarz ab, weil er ein Mensch ist.
    Ich weiß das nicht, denn ich bin kein Mensch.
    Ich bin das Schwarz.
    Aus mir werden schwarze Götter geboren, aus mir ergießen sich Ozeane von Verzweiflung.
    Wer ist dieser Dritte, der immer neben dir geht?
    Woher die Frage, schließlich sind wir zu zweit, ich und Iga.
    Wenn ich zähle, sind da nur du und dich. Doch wenn ich nach vorn ins Weiß des Weges schaue, geht da immer noch jemand neben dir. In einen braunen Mantel mit Kapuze gehüllt, schreitet er voran. Ich weiß nicht, ob das eine Frau ist oder ein Mann.
    Wer ist das, der auf deiner anderen Seite geht?
    Wessen Worte sind das, die des Dichters, dessen Namen du vergessen hast, Kostek, seine Worte sind das, er hat sie in einer anderen Sprache vorgelesen, aber es sind seine, und sie klingen dir im Kopf, weil ich sie gerade ausspreche.
    Also bin ich es, die Jacek Rostański aufs Sofa drückt? Nicht doch, ich gehe nur hinter Kostek her, begleite ihn, komme aus diesem Schwarz und weiß gut, dass es nichts gibt als dieses Schwarz, und weiß, dass Kostek, mein Lieber, das auch irgendwann verstehen wird. Die Zeit wird kommen.
    Und jetzt schütze ich ihn mit meinen schwarzen Flügeln, obwohl meine Federn grau sind.
    Ich bin ein Stadtspatz.
    Ich singe: Shanti, shanti, shanti. So sagte deine Mutter zu dir, und du hast es vergessen.
    Kostek, Dummerchen, wenn du wüsstest, wie unwichtig dein Polnisches und dein Deutsches ist, wie unwichtig die Geschlechter, wie unwichtig deine Würden und Ehren und dein eigener Wert und der widergespiegelte … Wie frei es dich machen würde, wie hoch und weit du kommen könntest, weiter und höher …
    Wie schlecht und wie gut, Kostek, dass du mich nicht hören kannst, dass nur das Echo meiner Stimme dich irgendwo unter dem Schädeldach erreicht, schwarze Tropfen entfließen mir irgendwo dort, wo du geboren wirst, Kostek, wo DU geboren wirst, in jedem Bruchteil jeder Sekunde, und deshalb bin ich du, Kostek.
    Jetzt, wo du mit Iga in der Rikscha durch die Dobra fährst, die geliebte Straße.
    Und jetzt, wo ihr vor dem Haus Nummer  52 aussteigt.
    Und jetzt, wo ihr die Treppen hochsteigt.
    Ich singe: Shanti, shanti, shanti. Tschilp, tschilp, tschilp.
    Iga stellt keine Fragen, Iga hat sich Warschau mit Verwunderung angesehen, hat das neue Warschau nicht verstanden, deshalb wundert sie sich auch nicht, dass ihr jetzt die abgetretene, knarrende Treppe zu einer dreckigen Wohnung im Powiśle hochsteigt.
    Und am Ende stehst du jetzt vor dieser Tür und hast Angst, Kostek.
    Ich habe Angst. Ich habe Angst davor, wie Salomé mich ansehen wird, wenn ich in Begleitung einer Frau zu ihr komme, mehr noch – in Begleitung einer Dame. Salomé erkennt eine Dame auf Anhieb, ihr Auge ist unfehlbar, ihr Blick skrupellos.
    Ich habe Angst vor dem Fläschchen voll Güte und Glück.
    Ich klopfe nicht.
    «Ist es hier?», fragt Iga.
    Und bevor ich antworten, ihr zuvorkommen, sie hindern kann, schließlich weiß sie, dass es hier ist, da wir vor dieser Tür stehen – klopft sie. Klopft, klopft.
    Ich falle in Panik, jetzt ist alles verloren, jetzt komme ich nicht mehr weg, schon vor Scham nicht, wir müssen jetzt hinein.
    Und Salomé öffnet die Tür, öffnet die Tür, öffnet die Tür.
    Vibrationen Seelenabominationen Hirninseminationen, ich fliege panisch auseinander, umgestülpt, Hysterie des Lebens, Materie, kalt ihr böser Blick in der Leere.
    Sie guckt.
    «Können wir reinkommen?», fragt Iga.
    «Bitte», sagt meine süße Hure höflich, mir zittern die Hände, ich schwitze, Schweiß läuft über den Rücken, nach ein paar Sekunden merke ich, dass meine lange Unterhose nass ist und das Hemd auch.
    Wir treten ein. Setzen uns an den Tisch. Auf dem Fußboden noch meine Blutspuren. Auf meinem Gesicht noch die Spuren von Kajetan Tumanowicz.
    Ich würde Salomé gern sagen, dass ich ihn umgebracht habe.
    «Ich habe ihn umgebracht», sage ich und erschaudere, Iga hört das ja schließlich auch.
    Salomé schaut mich kalt und energisch an, als wäre das nicht ihr Blick.
    «Wen?», fragt sie.
    «Tumanowicz.»
    Iga zittert. Salomé lächelt, das Eis in ihrem Blick taut, er wird wärmer. Sie glaubt mir. Wieder ist sie meine gute Hure, und für Tumanowiczs Blut vergibt sie mir sogar, dass ich mit einer Dame in ihre Wohnung komme.
    «Ich kenne Sie», sagt Salomé.
    Iga bebt, nickt aber bestätigend: Du kennst mich, Hure.
    Fotos, in der Mappe, Bacchanalien.
    «Wir

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