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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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Magneten unwiderstehlicher Anziehungskraft werden, so wie die läufige Wolfshündin den Rüden anzieht, so wollten sie anziehen und taten es doch nicht. Die Leere blieb unerfüllt.
    Denn euer wahrer Fluch, Kostek, eure wahre Vertreibung aus dem Paradies liegt darin, dass man euch ein für alle Mal alles vollständig, kosmisch Tierische geraubt, euch aber doch den Rest davon, die Triebe und Instinkte gelassen hat.
    Durch einen seltsamen Zufall wird keine dieser beiden Frauen mit ihrer Begierde nach dem Tierischen den Krieg überleben, durch einen seltsamen Zufall werden beide im selben September 1944 sterben, zivil, stille Opfer von Physik, Chemie und Geschichte, erdrückt von den Trümmern ihrer Häuser, die unter Artilleriebeschuss zusammenfallen.
    So würdest du sagen, Kostek: durch einen seltsamen Zufall. Weißt du denn, mein Lieber, dass nichts seltsam ist und es Zufälle nicht gibt, die Welt ein Chaos ist, keines fällt einem anderen zu, alles fließt nebeneinanderher, in vollkommener Gleichgültigkeit, so wie Sterne und Steine einander gleichgültig sind?
    Auf dem Gut bei Kobryń waren außerdem vier Frauen, die für ihre Anwesenheit bezahlt wurden, Salomé und drei ihrer Gefährtinnen.
    Iga dagegen wollte endlich ihre Verschämtheit loswerden, Kostek, und sie sagt dir das jetzt, sagt dir, dass sie der Lust gemeiner Blicke aussetzen wollte, was sie bisher tief verborgen hatte, was nur für dich und Jacek war. Ihr beide wart eins für sie, wart für sie ein und derselbe Mann, einer in zwei Körpern, deshalb war sie nie eifersüchtig auf Hela – da sie Jacek hatte, hatte sie dich auch.
    Die Scham wurde sie los, doch dafür entwickelte sie Abscheu gegen sich selbst, gegen die Männer und gegen rohes Fleisch.
    Und davon erzählt sie dir jetzt, Kostek.
    Sie erzählt dir auch davon, warum sie das getan hat, warum …
    Dich freut der Anfang dieser Erzählung: Sie hat es getan, weil sie die Erniedrigung von sich waschen wollte, die ihr von Jacek zugefügt wurde.
    «Jacek hat mich betrogen», flüstert Iga berauscht.
    Das heißt, dass ihr Doppelmann zerfallen ist, plötzlich seid ihr zwei, du bist ein Mann und Jacek der andere.
    Wie dich das freut, Kostek, wie das dein rammliges Drogenherzchen beschwingt, dich erheitert, mein Lieber, der Jacuś also, dein geliebter Jacuś, dein persönlicher Gewissensbiss, auch er lässt sich mit Mädchen ein, das Wort «betrogen» magst du nicht in diesem Zusammenhang, es kommt dir irgendwie unpassend vor, betrügen oder verraten kann man das Vaterland, einen Freund oder sogar die eigene Frau, aber doch nicht dadurch, dass man den Schwanz in eine Mieze steckt; die Frau würde man betrügen, wenn man mit einer Flamme abhaut oder auch im nichterotischen Sinne, wenn man zum Beispiel gegen sie intrigiert. Aber dass man sich mal kurz ein Mädel anlacht, das kann nur nach weiblichen oder Pfaffenkategorien ein Verrat sein, was übrigens aufs Gleiche hinausläuft, der Pfaffe ist ja das Weib honoris causa.
    Und du, Kostek, bist sofort davon ausgegangen, natürlich, als Iga von Betrug sprach, dass Jacek ein kleines Abenteuer mit einem Dienstmädchen oder so einer Krankenschwester hatte, stimmt’s?
    Weil es dir unmöglich schien, dass Jacek Rostański seine Iga wirklich, nach deinen eigenartigen Kategorien, hätte betrügen können.
    Aber dieser Niedergang freut dich, schließlich ist das derselbe Jacuś, der so nachsichtig Verständnis für deine wüsten Abenteuer hatte, das Verständnis des Stärkeren, des aus anderem Eisen Geschmiedeten, die Überlegenheit eines Menschen, der so mächtig ist, dass er die Schwachen nicht zu rügen braucht – denn gerügt hat er dich nie.
    Aber was du jetzt von dieser betrunkenen, kokainberauschten Iga erfährst, das heißt auch, dass der wunderbare, geliebte, heilige Jacek Rostański neben der Liebe und ehelichen Treue vor allem eure Freundschaft verraten hat, wie du es vielfach vorher tatest, aber Jacuś, der heilige Jacuś, der großartige Jacek hat eure Freundschaft niemals zuvor verraten und tat es nun, ohne dir etwas von seiner Malaise zu sagen; bat nur darum, Iga zu finden.
    Und du hast Iga gefunden und das Geheimnis, das er vor dir verbergen wollte.
    Und sogar sein edles Erdrücktsein von der Schwärze wird weniger edel im Lichte dieses Verrats, deine unausgesprochene, ja unbewusste Eifersucht auf seine hoffnungslose, noble Melancholie verschwindet plötzlich: Jacek ertrinkt in Schwärze nicht deshalb – wie du bisher gedacht –, weil seine

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