Morphin
ich nicht, schließlich habe ich sie nie kennengelernt, weiß nichts von ihr, hat sie mich überhaupt je interessiert, kann ich das noch wiedergutmachen, kann ich überhaupt noch irgendetwas wiedergutmachen?
«Kann ich das noch wiedergutmachen, Helena? Kann ich überhaupt etwas wiedergutmachen?»
«Du musst jetzt gehen, mein Vater kriegt noch einen Schlaganfall, wenn er dich hier sieht. Geh schon, Konstanty, geh. Ich rufe bei dir in der Wohnung an, wir treffen uns im Park, dann kannst du mit Jureczek spielen. Aber jetzt geh. Geh nach Hause, wo immer du mit diesem Koffer auch herkommst.»
«Ich gebe dir Geld», stammle ich und fummle den letzten Fünfzigdollarschein aus der Tasche, nicht mein Geld.
«Brauch ich nicht.»
«Nimm, für Jureczek.»
«Er braucht es auch nicht. Nimm deine Dollar und geh, Konstanty.»
«Ich gehe, wenn du es nimmst.»
«Gut.»
Sie nimmt es. Bringt mich zur Tür. Ich trete auf den Treppenabsatz, sie bleibt in der Wohnung, hat die Kette schon eingelegt und sieht mich durch den Türspalt an, ich warte, was sie sagen wird.
«Iga ist wieder verschwunden», flüstert sie nach einem Augenblick.
«Wie, verschwunden?»
«Deinetwegen.»
«Hela …»
Sie schüttelt nur den Kopf und schließt die Tür.
Ich gehe.
Nach Hause. Suche lange nach einer Kutsche, um nicht zu Fuß zu gehen, finde erst auf dem Schlossplatz eine. Auf dem Platz tummeln sich viele Deutsche.
Wir fahren, der Kutscher stellt mir das Dach auf, ich verziehe mich darunter, mache mich klein, schließe die Augen, um Warschau nicht sehen zu müssen, um nichts zu sehen, alles Lüge.
Wir fahren lange, fahren eine Ewigkeit, der gebeugte, runde Rücken, die Mütze des Kutschers, Flicken am Mantel, der triste Zweig der Peitsche, der Gestank des Pferdes, ich mag keine Pferde.
E. Wedel. Schokolade.
Ich will zahlen. Habe kein Geld. Bitte den Kutscher, zu warten, laufe in die Wohnung, die Treppen hoch, Schlüssel, Schlüssel, wo sind die Schlüssel, weg, der Ingenieur war hiergeblieben, als wir gingen, aber ich habe doch die Schlüssel mitgenommen, da sind sie. Im Koffer.
Ich öffne, werfe drinnen den Koffer hin, er geht auf und die Sachen fallen raus, Kleidungsstücke im Flur verstreut, Uniform, Stiefel, aber egal. Ich schau aus dem Fenster, der Kutscher wartet.
Im Sessel im Wohnzimmer sitzt Jacek und schläft. Er schnarcht. Auf den Knien hält er eine Pistole. Neben ihm eine leere Wodkaflasche. Ich suche Geld, um Jacek kümmere ich mich später, soll er schlafen, ich muss den Kutscher bezahlen, also suche ich Geld.
«Beweg dich nicht!»
Er ist wach geworden. Zielt mit der Pistole auf mich, ohne aufzustehen.
«Jacek. Ich muss die Kutsche bezahlen. Ich bin sofort da, nur bezahlen. Verstehst du?»
«Rühr dich nicht», sagt er zu mir und steht auf.
«Jacek, schau aus dem Fenster. Der Kutscher wartet, dass ich runterkomme und ihn bezahle, ich hab mein Portemonnaie verloren und konnte ihm kein Geld geben. Hast du zehn Złoty?»
Wozu lüge ich denn?
Er guckt aus dem Fenster. Betrunken, seine Hand zittert, ich könnte ihn anspringen und ihm die Waffe aus der Hand schlagen, könnte meine Pistole ziehen und ihn erschießen, Jacek erschießen, meine Pistole die Pistole meines Vaters ich könnte.
Könnte nicht.
Seine Hand zittert.
«Jacek. Das war nicht so mit Iga, wie du glaubst. Jacek. Wirklich», sage ich, versuche es im Ton ruhiger Beschwichtigung, versuche es. «Ich gehe runter, zahle und komm gleich wieder, dann reden wir.»
«Setz dich», antwortet er und etwas in seiner Stimme macht, dass ich mich setze.
Er geht zur Tür.
«Er wird hochkommen und sein Geld wollen, Jacek. Er kommt hier in die Wohnung, verstehst du? Das ist peinlich. Ich muss runter, ihn bezahlen.»
Er stolpert über meine Sachen, über meine Uniform, meines Vaters Uniform, eine deutsche Uniform. Schaut sich die Uniform an. Lange, lässt dabei die Pistole sinken, kein Blick für mich, er glotzt die Uniform an.
Ich könnte. Aber nein.
Er schließt die Tür.
Geht zum Sessel zurück. Setzt sich.
«Woher hattest du den Schlüssel?»
«Hast du mir mal gegeben, erinnerst du dich nicht? Du warst mein Freund, du hast mir einen Schlüssel nachgemacht, für alle Fälle, weißt du nicht mehr?»
«Ach ja, da war so was.» Erinnere ich mich oder nicht?
«Sie ist weg. Wegen dir.»
«Jacek, ich habe nicht mit ihr geschlafen. Ich habe nicht mit ihr geschlafen, verstehst du? Wir haben uns schon einmal duelliert wegen solcher Dummheiten, wegen meiner Dummheit,
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