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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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einem einzigen Nagel, sie muss mich reinlassen.
    Und sie lässt mich rein.
    «Kostia, hau ab», stammelt Sala, versucht, mich aufzuhalten, ich schiebe sie beiseite. In der kleinen Küche ist niemand, leere Flaschen, ich stelle die Aktentasche auf den Tisch, weiter ins Zimmer, dort zwei Männer, eine Flasche Wodka, viel Qualm von guten Zigaretten.
    Sie sehen mich an. Ich sie, die Rechte in der Hosentasche, die verschwitzten Finger wandern in die Öffnungen des Schlagrings.
    Beide im Unterhemd. Einer mager, über der Stuhllehne hängt die feldgraue Offiziersjacke. Der springt bei meinem Anblick auf, wirft sich mit der rechten Hand die Jacke über, hebt mit der linken das Wodkaglas und trinkt aus, sammelt seine Sachen ein – Mütze, Gurt, Halfter – eilig, aber ohne Furcht, er will einfach keine Sekunde länger hierbleiben, dabei hat er überhaupt keine Angst vor mir. Er geht ohne ein Wort. An mir vorbei, sehr nah.
    Seine Augen sind wässrig wie die von Jarosław, blass, groß, warm, feucht. Klebrig beleckt mich sein Blick, und ich lese daraus, dass er mich zwischen zwei Schluck Kaffee umbringen könnte. Ich ihn ebenso, aber nur aus der Entfernung, mit dem Gewehr, dem MG , ich könnte eine Bombe aus dem Flugzeug abwerfen oder ihm im Anritt eins mit dem Säbel versetzen, ihn mit der Lanze durchbohren. Er aber könnte mich von nahem töten, so wie er mich mit diesem feuchten Blick übergießt.
    Wir könnten uns ineinander verklammern, er würde mir die Zähne in die Kehle schlagen, mir Luftröhre und Schlagader und Nacken zerbeißen, würde einen großen Schluck Blut nehmen und dann seine blutigen Zähne entblößen, sie der Welt zeigen.
    Die Rechte habe ich in der Tasche, die so groß ist wie ein Halfter, die stahlbeschlagene Rechte, die Panzerfaust, die im Straßenboxen, im Zuhälterkampf geübte Faust.
    Er geht an mir vorbei. Wortlos. Ich schau ihm nicht nach, Schritte, er schließt die Tür, auch zu Salomé sagt er kein Wort.
    Ich sehe den anderen an, er mich auch. Dick. Kleine Äuglein hinter runden, schmutzigen Brillengläsern, aufgeschwemmte Visage, borstig, über dem Drahtgestell Brauen wie beim Marschall, darunter diese Äuglein wie Bohrer.
    Und nichts weiter, denn woran soll man denken, jetzt, wo ich sehe, dass er nach dem Messer tastet?
    Da reißt meine Panzerfaust sich aus ihrem Versteck, mit einem Satz bin ich bei ihm, werfe ihn mit einem Hieb der metallbeschlagenen Rechten zu Boden, schlage ihn dafür, dass er meine Salomé besudelt oder sie dem Fritzen verkauft hat, ich frage nicht. Vielleicht später, wenn Salomé ihn wiederzubeleben versucht.
    In die Fresse hauen kann ich, da kann der ganze Tisch in der Ziemiańska sich verstecken. Sie schätzen mich sicher auch dafür, ich parliere mit ihnen auf Augenhöhe, über Proust oder Nietzsche, und dann sahen sie eines Tages völlig verschreckt, wie ich Apachen niederstreckte, die einem armen Dichterling sein letztes Kleidungsstück rauben wollten, das einzige, was er besaß. Betrunken war ich ein Edelmann, ich konnte das nicht zulassen, hatte keine Angst vor dem Messer und warf den Apachen aufs Straßenpflaster. Es gefiel ihnen, dass ich gewissermaßen mit einem Bein in einer anderen Welt stand, obwohl das nicht stimmte.
    Also habe ich keine Angst. Ich fürchte den Kampf nicht. Vielleicht ein bisschen mehr als die Schlacht, den Kampf mit Faust und Messer fürchte ich mehr als Maschinengewehre und Kanonen, aber nicht so sehr, dass ich nicht über den Dicken hergefallen wäre.
    Doch sein Kopf weicht meiner Donnerfaust aus, und plötzlich hänge ich am Arm des Dicken, der mich zur niedrigen Zimmerdecke hebt, wie ich Jureczek im Spiel hochhebe, und dann fliege ich, fliege langsam auf die Bodenbretter, die stöhnen, als mein Körper hinschlägt, auch ich würde stöhnen, wenn ich Luft bekäme, die bleibt mir aber weg, der Dicke lässt es nicht zu, er springt mit den Knien auf meine Brust, meine Rechte wie ein totes Tier verheddert in den Schlaufen des Schlagrings, meine weiße, weiche Rechte wie ein Kopffüßler, kraftlos.
    Der Fette hebt seine große Hand, ich rieche den Schnaps, und seine Faust kracht auf meine Wange, sind das Knochen, die da knacken? Ein zweites Mal hebt sich die Faust, fällt wieder und Schluss, Vorhang, Dunkelheit.
    Wo bin ich, wo liege ich, in einer anderen Welt.
    Ich öffne die Augen.
    Der Dicke steht im Zimmer, Salomé an seinem Hals flüstert ihm etwas ins Ohr. Der Dicke schaut zu mir her, im selben Augenblick küsst meine Sala ihn auf

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