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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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jetzt, zwischen Tränen und Lachen, er versteht dieses Heulen nicht, will sie ihn schützen, was hat sie von ihm, warum will sie dem Dicken nicht gestatten, ihm den Schädel zu spalten, so ein schöner Tod wäre das, ohne einen Kratzer durch den Krieg. Mit dem Tapferkeitskreuz dekoriert, will weiter gegen die Deutschen kämpfen, Herr Oberst!, will nicht in die Gefangenschaft – und jetzt liegt er auf den Brettern, und der Dicke spaltet ihm den Schädel mit dem Beil, mit dem Salomé Rindsknochen hackt, um im großen Topf Brühe zu kochen, damit es für einen mehrtägigen Morphinhänger reicht, vielleicht hat sie so eine Brühe gekocht, um eine ganze Legion von Freiern aus Künstlerkreisen damit zu verköstigen. Und jetzt zerhaut ihm dieses Hackebeil aus der schönen Stadt Solingen den Schädel, keine deutsche Kugel, keine Bombe, kein deutsches Schrapnell, sondern ein deutsches Hackmesser in den Händen einer fetten Kanaille.
    Also liegt er auf dem Boden und lacht, er lacht wie ein Irrer und weint wie ein Irrer.
    Der Dicke stößt die heulende Salomé von sich, die fette Hand schlägt ihr ins Gesicht, aber nicht mehr so, wie man einer Frau zärtlich einen Klaps gibt, um sie zur Ordnung zu rufen, sondern mit aller Kraft, sodass Salomés Kopf sich einmal dreht wie ein Kreisel und fällt und ihren Körper mit sich reißt, und er liegt auf dem Boden, lacht und weint und fragt sich selbst, ob dieser Hieb ihr den Hals gebrochen hat, ob Salomé nun leblos zu Boden stürzen wird. Und sie fällt, falls lebendig, dann jedenfalls ohne Bewusstsein, macht eine Pirouette und bleibt zerknickt liegen.
    Der Dicke findet die Situation höchst unpassend: Er mag keine Tobenden, will sich mit Tobenden nicht einlassen, Tobende widern den fetten Sack an. Er bringt Kostek nicht um, spuckt ihm nur dicke Spucke ins Gesicht, das ist dein Urteil und die Strafe für Nicht-Dich, den Halbmenschen, Nichtmenschen, den Tobenden. Er schleudert das Hackmesser zu Boden.
    Dreht sich um, packt seine Kleidung auf dem Stuhl, greift nach der halbvollen Wodkaflasche und geht, knallt die Tür, geht raus, fluchend.
    Und Kostek liegt, ich liege, neben mir liegt Salomé ganz zerknickt, lebt Salomé? Ich sehe sie an mit der Liebe, die ich für sie nicht habe, oder liebe ich diese Frau?
    Warum hat er mich nicht getötet? Jetzt werde ich mit dem Paket zum Erlöserplatz gehen müssen.
    Er liegt und weint. Würde lieber nicht leben.
    Also knie ich neben ihm nieder und lege die Arme um ihn, damit er mich spürt, ich bin ganz Liebe. Und er weint.
    Ich weine. Fasse mein eigenes Gesicht an, und der, der mir nachgeht, ist bei mir, drückt mich an sich, schützt mich und wacht über mir, warum hielt er mich nicht auf, als ich hierherging, er hätte mich doch noch auf der Treppe umkehren lassen können, mir den Weg zum Erlöser zeigen, mich auf diesen Weg ziehen können, damit ich Gut und Böse unterscheiden lerne. Der oder die?
    Niemand.
    Ich stehe auf, komme hoch. Kurze Überlegung, Salomé oder mein Gesicht? Ich wähle den Spiegel.
    Ich-Nicht-Ich. Im Spiegel. Die Wange geschwollen, blutunterlaufen, die Lider des rechten Auges dick, ich fasse die Nase an, sie ist heil, nicht gebrochen. Betaste das schwammige, geprellte Gewebe, bin ich es oder nicht, ist dieses aufschwellende Gesicht auch ich, diese langsam blutunterlaufenen Augen?
    Salomé zerknickt. Schon bin ich bei ihr, bin ich das bei ihr?
    Er nähert sich ihr, beugt sich über sie. Der Schlafrock geöffnet, da liegt sie nackt, die schweren Brüste stehen, die Beine auseinander, rotbraunes Haar im Schoß, unter den Achsel, Geruch von Wodka, Männern, Geschlechtsverkehr. Sie lebt. Ist bei Bewusstsein. Geschlagen, schmerzgekrümmt, aber lebendig und wach.
    «Sala.»
    «Kostia, ich habe dir gesagt: Paschol won, hab ich gesagt!», flüstert sie.
    «Wer war das?»
    «Nicht deine Sache», erwidert sie strikt.
    Sie steht auf, wickelt sich in den Schlafrock, plötzlich nüchtern, plötzlich beschämt von der eigenen Nacktheit, sie schämt sich ihrer Nacktheit nie, hält zwar nichts von Freikörperkultur, denn sie weiß um ihre Wirkung, geht deshalb nicht allzu freizügig mit ihrem Körper um, aber geschämt hat sie sich nie für etwas. Sie wartet auf dem Boden, wartet, bis ich zu ihr komme, und das tue ich, wenn das eine Prüfung war, dann habe ich sie nicht bestanden.
    «Was willst du von mir, Kostia?»
    «Ich habe Geld. Geh und kauf Morphin in der Stadt.»
    «Aber wo?», wundert sie sich.
    «Du weißt schon, wo. Ich warte

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