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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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hier.»
    Sie schweigt, betastet ihren Hals, die Rippen, kratzt sich den Schoß durch die Seide des Schlafrocks.
    «Gehst du?», frage ich.
    Sie sieht mich an, und etwas in ihrem Blick verändert sich, erst liegen in diesem Blick Erschöpfung, Rausch, Unlust, Schmerz, dann geht es über in Wollust, die Lippen öffnen sich – die Lippen gehören zum Blick, Blick, das sind nicht nur die Augen, sondern auch, wie sie mich ansieht, der Blick ist der Ort, an dem mein Sehen dem ihren begegnet, der Blick ist die Kreuzung des Sehens, und in meinem Sehen sind nun eben ihr Mund und ihren Lippen, die sich leicht öffnen, ich lese die Wollust von ihnen ab, die anderen Männer, der Deutsche und der Dicke, sind weg, ich aber bin hier.
    «Gehst du?», frage ich.
    «Ja. Aber erst kommst du mit mir, Kostia.»
    Sie packt ihn am Revers, schiebt ihn vor sich her, der Schlafrock geht auf, sie ist nackt, er angezogen, sie stößt ihn aufs Bett, er fügt sich, lässt sich von ihr führen, geht rückwärts, aufs Bett, sie knöpft ihm die Hosenknöpfe auf, und ich stehe dabei, sehe, wie sie sich an ihm reibt, ihr ganzes hurenhaftes weibliches Selbst in ihn hineinreibt, ich sehe, wie sie sich mit ihm paart, sich danach über der Schüssel wäscht, schamlos abreibt.
    Als alles vorbei ist, spüre ich ihren Geruch und den Geruch des Mannes, mit dem Sala vor mir kopuliert hat. Ich weiß nicht, welcher es war, der Deutsche oder die fette Kanaille, ich glaube, der Deutsche, Salomé ekelte sich vor beleibten Männern.
    «Mit wem hast du geschlafen?», frage ich.
    «Wie, mit wem?», wundert sie sich und zieht sich die dicken Strumpfhosen über.
    «Mit wem, mit dem Dicken oder dem Deutschen?»
    Sie lacht nur kurz.
    «Wozu waren sie hier, und wer war das überhaupt, hm, Sala?», bohre ich nach.
    Doch Salomé antwortet nicht, lacht und zieht sich weiter an. Dann geht sie. Und ich bleibe hier, mit meinem ganzen überflüssigen Leben.
    Ich bleibe damit, wie ich nach Grudziądz gegangen bin, obwohl ich Pferde hasse und überhaupt die Armee hasse, Bortenschnüre, polierte Knöpfe, gewienerte Stiefel, Falben, schrottreife Säbel, oxydierte Gewehre, Auftragsmorde, erlesene Flüche. Ich hätte ja nicht gehen müssen, viele sind nicht gegangen, so schwer war es nicht, sich zu drücken, sich freistellen zu lassen, man wurde dann in die Reserve versetzt und musste nur ein paar Tage im Jahr mit einem Haufen jüdischer Apachen und sonstigen Gesindels Gräben ausheben.
    Grudziądz verließ ich als Fähnrich, bei den Übungen in Trembowla wurde ich nach einem Zusatzkurs für Reservisten Leutnant, denn Offizier zu sein ist wichtig, natürlich, also wurde ich Offizier, auch wenn ich es hasse, Befehle zu geben, genauso, wie Befehle zu bekommen.
    Alles für ihre Augen, für das Bild, das sich in diesen Augen spiegelt. Um zu zeigen, dass ich würdig bin. Würdig in den Augen meiner Mutter, um in ihren blassen, hellen Augen das Bild meines Vaters zu überwinden, des Jungen in Kavalleriestiefeln, der bleich in den Krieg mit den Franzosen zog, als würde er sich mit Napoleon schlagen, Säbel, Rüstung, Sattel, Stahlgewitter in den Schützengräben. Auch jetzt bei Salomé mit der Tasche für die Łubieńska, auch für meine Mutter.
    Er versucht, sich zu erinnern, liegt im zerwühlten Lager, Salomé ist weggegangen, ist also weder unterworfen noch Siegerin, sie ist weg, und er versucht den letzten Moment zu rekonstruieren, an dem noch alles da war. Denn was ist jetzt? Jetzt ist alles weg.
    Und er sieht sich selbst im Spiegel. Sein Gesicht sieht er im Spiegel, den mageren Hals und die schmalen Schultern. In der einen, zitternden Hand ein Rasierpinsel, in der anderen das Schälchen mit Schaum.
    Ein Pinsel der Firma Omega, italienisch. Dachshaar mit silbrigen Spitzen, weich, schön, hübsch zur Rosette geformt, kratzt die Haarstümpfe, weiche Rasiercreme schlägt Schaum, als Konstanty sie energisch mit dem Bausch im Schälchen verrührt. Der Pinselgriff aus edlem Ebenholz. Hat zwölf Złoty gekostet.
    Dann das Dachshaar auf Kosteks borstiger Wange, kein Fenster im Bad, neben dem Waschbecken das Bidet, hinter dem Bidet auf ganzer Raumbreite die Wanne, luxuriös, meine Herren, denkt Konstanty im elektrischen Licht, und das Marderhaar tanzt auf seiner Haut und verstreicht den Schaum der Marke Truefitt & Hill. Auf Glyzerinbasis. Schön und stark ist dieser Schaum, Konstanty kann sich gar nicht fassen vor Begeisterung, dass er die Rasiercreme der Marke Omega gegen Truefitt getauscht

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