Morphin
künstlerische Gestaltung der Wedelsalons nicht gewonnen hat, Żórawski hat ihm auf die Schulter geklopft und gesagt: «Beim nächsten Mal, Herr Kostuś, beim nächsten.» Dass sie ihn in der Ziemiańska auf der Empore schief ansehen. Dass Jacek nach der ganzen Affäre immer noch sauer ist. Dass am Motor des Autos irgendetwas unheilvoll pfeift. Tausend Probleme.
Nach dem Kaffee geht Kostek auf die Straße, wechselt auf die andere Seite der Madalińskiego. Vom Dach, hinter dem Gitter, hinter dem Zwei-Meter-Buchstaben C in « CZEKOLADA » beugt sich Hela mit Jureczek im Arm herunter, sie winken dem Papa, und Papa winkt ihnen, dann öffnet Kostuś die Tür zu seinem kleinen Opel, die Mama hat ihm das Sümmchen für einen Opel Olympia geschenkt, und er hat ihn gekauft, einen gelben. Das Wetter ist schön, da wickelt er das Dach zusammen zu einer zierlichen Rolle am Sterz des Automobils, nur die Fensterrahmen bleiben stehen, und gleitet ruhig die Puławska entlang, in seinem Olympia mit selbsttragender Originalkarosserie, ein bescheidenes Wägelchen, aber immerhin, es gehört ihm, er tankt am Erlöserplatz, Standard Nobel Tankstelle, volltanken, Chef?, Ja, volltanken und weiter, die Marszałkowska, dann nach rechts in die Jerozolimskie, dann nach links in den Nowy Świat und zu Simon, zum richtigen Frühstück in richtiger Gesellschaft. Im Motor pfeift etwas unheilvoll, die Sonne heizt die Sitzpolster auf.
Und wo ist das alles hin? Was ist geblieben? Salomés verschmuddeltes Lager, klebriges Bettzeug, Gestank. Das Automobil haben sie am zweiten September requiriert, behauptet Hela, Konstanty ist am neunundzwanzigsten August requiriert worden, der Kakaosalon ist weiterhin geöffnet, nur die Stimmung ist nicht mehr die alte. Die Stadt haben ihm die Deutschen gestohlen, die Cafés und Restaurants haben sie ihm gestohlen, die Bankette, die Tanzabende und die Autoausflüge ins Umland, und alles, schon lange vor dem Krieg.
Bei dem Besuch in Paris ist etwas in ihm zerbrochen. Nachdem Hela für Thorak posiert hatte, waren sie auf ihr Zimmer zurückgekehrt und schwiegen sich an, dann schloss Konstanty sich im Bad ein und stand eine Viertelstunde vor dem Spiegel und noch eine, in der er in seinem Gesicht die Antwort auf die Frage zu lesen versuchte: Was ist eigentlich passiert?
Er verstand damals nicht, dass soeben sein Inneres zerbrochen war. Er spürte etwas, ahnte aber nicht, wie bedeutend diese Veränderung war, wie fundamental, er erwartete nicht, dass sie sein Leben auf den Kopf stellen würde.
Wenn er überhaupt irgendein Leben hatte. Früher oder später. Als sie nach Warschau zurückkamen, bemerkte niemand etwas, niemandem fiel auf, was geschehen war, nur die Mutter wusste es.
Konstantys alte, kluge und verrückte Mutter, vierzig Jahre älter als ihr einziger Sohn, ohnehin früh gealtert, eine Hexe mit grauem, aufgelöstem Haar, das in dünnen Rinnsalen auf die Schulter fiel, auf die Arme, die welke Brust, Bauch und Schenkel, eine schlesische Zauberin mit knochigen Knien, verborgen unter der Decke, böse Königin im Rollstuhl. Konstanty kam aus Paris zurück, schaute seine Mutter an und sah einen alten Indianerhäuptling: das lange, strähnige Haar, die Wolldecke über den Beinen und die Pfeife, eine kurze Pfeife, in der seine Mutter eine Mischung aus Tabak und Kräutern rauchte, ihr geliefert von einem ganzen Heer von Scharlatanen, die ihr Vermögen aussaugten.
«Warschau ist keine slawische Stadt», flüsterte sie, ich weiß nicht, ob zu mir oder einfach vor sich hin. «Hör doch nur – Wars, Sawa. Das sind keine slawischen Wörter. Ich glaube, die etymologische Wurzel ist keltisch oder illyrisch, genauer habe ich mich noch nicht damit befasst. Ich gehe dem bald nach.»
Ihr Vermögen schien unerschöpflich: Ernte der Arbeit von zwanzig Generationen derer von Strachwitz, ausgegeben von Frau Willemann, und die Früchte der Arbeit der Familie Willemann. Die Mutter hatte nach der Scheidung ihren Mädchennamen wieder angenommen und das Kapital der Gesellschaft Federbusz, Rosmarin und Teilhaber zur Verwaltung übergeben, es war sicher investiert, in Gold und Immobilien in Amerika, keine Geschäfte, kein Papiergeld, nur Wertgegenstände, Gold, Häuser auf Long Island …
Mutter, sagte Konstanty, Mutter. Katarzyna Willemann, primo voto Strachwitz von Gross-Zauche und Camminetz de domo Willemann, alter Häuptling, weiße Adlerin, ihr Gesicht wie gemeißelt, wie aus Sandstein, in den der Regen Runzeln hineingewaschen
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