Morphin
seinen Vater, wie er zitternd in seiner Schüleruniform die Steinstufen zum ersten Stock des Kattowitzer Mietshauses emporsteigt, wie er vor der Tür steht und klopft, Konstanty klopft, als wäre er selbst sein sechzehnjähriger Vater mit dem sehr langen und sehr alten Namen, als wäre er selbst sein Vater und solle sich selbst zeugen.
Bolko Strachwitz klopft an die Tür, das Papierschildchen im Blechrahmen zittert, der kursiv geschriebene Name zittert: Katharina Willemann und Katarzyna Willemann, mit vierzigjährigem, hungrigen Leib geschrieben, zittert, einem Leib, von dem sie glaubt, dass er unfruchtbar sei, einem Leib, den keiner der vielen Liebhaber hat befriedigen können und in dem keiner neues Leben hat zeugen können.
Woher weiß das Kostek, woher weißt du das, Konstanty, woher weißt du von den Liebhabern deiner Mutter? Ich streichle Kostek übers Gesicht und stelle ihm diese Frage.
Hat sie mir nicht davon erzählt, als ich zehn Jahre alt war? Als wir mit dem Zug nach Warschau fuhren, hat da nicht eine greise Matrone die Tür des Erste-Klasse-Pullman-Abteils hinter sich zugeworfen, weil sie zuerst ihren Ohren nicht trauen wollte und dann trauen musste, zu ihrem Riechfläschchen griff und sah, wie ihre Welt, das viktorianische Bühnenbild ihres Lebens in Flammen aufging: Neben ihr saß eine trockene, distinguierte Fünfzigerin im halshoch zugeknöpften Kleid und erzählte einem zehnjährigen Jungen, dessen Großmutter sie hätte sein können, erzählte ihm in einem holprigen, unschönen Polnisch von ihren Liebhabern. Am schlimmsten war dieses geradebrechte Polnisch, das sie sprach.
Davon, wie sie sechzehn war und den fünfundzwanzigjährigen Efik verführte, ihren ersten Geliebten, einen gedrungenen Kerl, der sich um die Pferde und den Wagen des Vaters kümmerte, denn ihr Vater hielt sich Pferde und Kutsche, es war im Jahre 1885 , und sie lebten damals in Gleiwitz, wo es noch kein einziges Auto gab.
Die kleine Katarzyna verführte Efik, mit dem sie aufwuchs, von dem sie Polnisch lernte, Wasserpolnisch wurde zu Hause nur mit Dienstboten gesprochen, doch die Familie war fortschrittlich, und die Bediensteten wurden nicht geringgeschätzt, zweimal im Jahr durften sie sogar die Mahlzeiten zusammen mit den Herrschaften am bürgerlichen Tisch einnehmen, und die gute alte Frau Willemann de domo Piontek wandte viel Zeit für die Bildung dieser armen Wasserpolacken auf, lehrte sie Manieren und Kultur, auch Deutsch, und brachte ihrer einzigen Tochter Kasia bei, dass man den Menschen nicht verachten dürfe, verachten dürfe man nur die Sünde und Unreinheit, aber gewiss niemanden, nur weil er Wasserpolnisch spricht, wie hätte er denn gutes Deutsch lernen sollen, wenn Mamulka und Tatulek Wasserpolnisch mit ihm schwätzten? Verachten darf man sie nicht, man muss ihnen Deutsch und Kultur beibringen, muss fördern und erheben.
Kasia also stieß Efik nicht hinab. Nein, Fräulein, ich darf nicht, wirklich nicht, so geht es nicht, Fräulein, sagte Efik. Aber Kasia hielt ihn fest an der dicken Wolle der Weste, bis heute erinnert sie sich an das raue Gewebe, zog ihn an sich, und ihre Zunge fand seinen Mund. Nein, Fräulein. Und sie knöpfte ihm den Gürtel auf, gespannt darauf, was dort zu finden sei. Und sie wurde fündig: Er war weder besonders groß noch besonders klein, aber viel, viel größer als bei den griechischen Skulpturen, die sie heimlich in den Bildbänden des Vaters betrachtete – was sie leicht überraschte, zugleich ungeheuer erregte, er war ganz schlaff und weich, denn Efik hatte Angst vor dem alten Willemann, er begehrte seine Tochter nicht. Und doch musste er ja gewusst haben, wozu er mit ihr in den Stall ging. Die kleine Katarzyna untersuchte dieses gesunde männliche Glied mit der Neugier einer Naturwissenschaftlerin, und es gedieh gut unter dieser Neugier und gefiel ihr so sehr, dass sie es am Ende küsste und Efik einen Augenblick lang aufhörte, den alten Herrn Willemann zu fürchten, er nahm das Mädchen bei der Hand, legte es auf einen Hafersack, schob hoch, was hochzuschieben war, riss auf, was aufzureißen war und zerriss, was nur einmal zerreißt.
Danach gab sie sich ihm viele Male hin, bis sie schließlich der Vater überraschte, der seit langem den Verdacht hatte, dass seine Tochter krank sei. Hysterikerin. Nymphomanin. So viele Male hatte er durch die angelehnte Tür gesehen, wie sie sich selbst unter der Decke oder beim Bad berührte. Und jetzt sah er die prallen Hinterbacken des
Weitere Kostenlose Bücher