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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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Mögliche verhökern, ausschließlich für Dollar und Gold, sie haben es eilig und höllische Angst, und ich gehe, keinen Blick schenke ich ihnen, gehe zur Hala Mirowska, Brot kaufen, Speck und Eier. Die Hälfte der Marktbuden besetzt. Wahnsinnspreise, ein Kilo Brot für einen Złoty siebzig. Brot aus der Magistratszuteilung für dreißig Groszy ist alle, ausverkauft. Nur zum Marktpreis, schlimmer als beim Juden. Ich nehme ein Kilo. Dazu kaufe ich einen Becher Dickmilch, die trinkt man aus einem ekligen Becher an der Schnur, jedem Durstigen schöpft das Marktweib für zehn Groszy etwas aus der Kanne ab, ich zahle, zum Teufel, widerlicher Lippenabdruck auf dem Becherblech, ich trinke, das hilft.
    Hat nicht geholfen. Ein Weib mit Schokolade, Vorkriegsware, die Tafel zwölf Złoty. Zwölf! Ich nehm für Jureczek für drei Złoty, die Alte bricht mit schmutzigen Fingern aufs Geratewohl was ab und wickelt es in Zeitungspapier.
    Mit dem Essen in der Aktentasche, ich laufe schließlich nicht mit einem Einkaufsnetz herum wie eine Dienstmagd, gehe ich weiter. Wenn der Mensch Geld hat, ist alles für ihn da, da kann er alles erleben.
    Und ich habe welches. Noch im August, eine Woche vor der Mobilmachung, hab ich das Konto bei der PKO abgeräumt, viel war es nicht, aber immerhin, also runter damit, so weitsichtig ist man, ich kaufte Gold zu Schieber-, aber Vorkriegspreisen, kaufte Dollar. Und jetzt hat man was, und auch Hela hat was, um Jureczek zu ernähren, daran dachte ich stolz, als ich jetzt an der Schlange vor der PKO vorbeikam. Den Umweg habe ich nur gemacht, um mir diese Schlange anzusehen, die bis zur Philharmonie reicht, bis zu fünfzig Złoty kriegt man ausgezahlt, die Leute lauern mit Wolfsblicken unter dem Hutrand, und diese Blicke sagen: Sanacja, Diebe, Obristengesindel, wo ist unser Geld, mein Geld!
    Ich hab welches. Denn ich bin gescheit und die anderen Idioten.
    Denn du bist klug, die Leute Idioten.
    Den Umweg habe ich aber auch gemacht, weil ich in der PKO das letzte Mal mit dem Obristen und Major Tomaszewski gewesen bin, dem Vertreter und Rittmeister Chochoł von der schweren MG -Schwadron, am Tag der Kapitulation, noch bevor sie es verkündeten: Tomaszewski hatte den Virtuti bekommen, Chochoł ebenfalls Virtuti, ich den Tapferkeitsorden für gar nichts, also waren wir in den Kellerräumen der PKO . Ich hielt mich taktvoll zurück, kein Wort, denn dort standen die Generäle. Rómmel, Kutrzeba, Tokarzewski, Czuma gebeugt über die Karten, rauchten Zigaretten, besiegt, geschlagen, Kapitulanten, sie haben Polen verschissen und standen jetzt über den Karten, hochgeknöpft, Silberkrägen, Generalspistolen in kleinen Halftern auf der Arschbacke, Damenpistolen, Kaliber sechs oder sieben, genau richtig, um sich ins Maul zu schießen, nur tat das niemand, obwohl sie weggegeben hatten, was wegzugeben war, mehr als den Mantelknopf.
    Unser Oberst redete mit Stabschef Rómmel, ja, definitive Kapitulation, und ich hatte große Lust, die Pistole zu ziehen und ihnen die Generalsköpfe runterzuschießen, einen nach dem anderen.
    Heute keine Spur von Generälen, nur die Leute in der Schlange, die auf ihre fünfzig Złoty warten.
    Mit dem Essen in der Aktentasche gehe ich ins Hotel Europejski, in die Konditorei Lours, mal hören, was die Leute sagen, was sie quatschen, stammeln, mit den Kiefern klappern wie die Bettelfiguren auf dem Bürgersteig mit ihrer Dose. Aber egal, ich gehe, gehe ins Lours, um noch ein bisschen aufzuschieben, was später kommt.
    Drinnen ein unglaubliches Gedränge, die meisten sind Offiziere. Ein Teil tut so, als wäre man ganz jemand anders, doch man sieht ihrer Fresse den Suppensöldner schon von weitem an, ihrer Fresse, denn sie alle haben ein und dieselbe Berufssoldatenfresse, Obristen-, Majors-, Kapitänsfresse, die Herren Adligen, so hübsch machte sich ihre glattrasierte Fresse über den Tressen in ihren Stehkrägen, beschattet von lackierten Mützenschirmen, und jetzt sitzen diese Fressen traurig auf mageren oder fetten Hälsen, über den dreckigen Krägen der Zivilhemden, den grauen oder braunen Anzügen, die sie Gott weiß wo aufgetrieben haben. Der lange Faliński in einem Anzug, den er wohl vom Trödel hat, die Jackenärmel enden auf halber Strecke zwischen Ellbogen und Handgelenk, über der weißen Spur der verschwundenen Armbanduhr. Dem Fettsack in der Ecke drohen die Jackenschöße auf der feisten Brust aufzuplatzen, wie die Hülle einer Blutwurst, das mit Mühe zugeknöpfte Hemd lässt

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