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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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noch, er liebt seinen Sohn, aber zwischen den Augen der Mutter und des Vaters, zeigte sich dort irgendeine Liebe, hat Liebe sich zwischen ihnen ereignet, sich ereignen können?
    Konstanty möchte das verstehen. Der Vater hatte für Katarzyna Willemann alles aufgegeben: den guten Namen, die einem Aristokraten von Uradel vorgezeichnete Karriere – statt des Berliner Garderegiments das provinzielle, wenn auch altehrwürdige Gleiwitzer Regiment der Schlesischen Ulanen –, dann der Hass der Familie, der berühmt gewordene Prozess, eine Serie von Titelseiten, Sensation bis hin nach Berlin: schlesische Kleinbürgerin, vierzig, schlesischer Aristokrat, sechzehn, später achtzehn Jahre alt, dann die Heirat, dann alles andere.
    Und schließlich die letzte Erinnerung an den Vater. Kostek ist zwölf, der Vater sechzehn Jahre älter, hat eine graue Uniform und eine Narbe im Gesicht, eine schreckliche Narbe und eine noch schrecklichere, nicht sichtbare unterhalb des Uniformgürtels, und die schrecklichste hat er in der Seele. Die Mutter wird Kostek das alles erzählen. Er fragt nach dem schwarzen Adler auf der Uniform. Freikorps Oberland. Konstanty ist ein erschrockenes Kind, er begreift nicht, was mit seiner Familie geschieht, der Vater ist ein besiegter Soldat, Kavallerist, gedrückt in den Schlamm der Schützengräben und darin fast ertrunken, und er begreift nicht, was mit seiner Familie geschieht, der Vater kniet bei seinem Sohn, Kostek hat Angst vor diesem jugendlichen Gesicht ohne sichtbare Bartstoppeln, zerknittert von einer Narbe, die von der Stirn abwärts den linken Augenwinkel hinunterzieht und die glatte Linie des Wangenbeins mit Knoten glänzenden Gewebes unterbricht, eine kraftlose und hängende Wange.
    «Hüte dich vor der Mutter, mein Sohn, denn sie ist wie ein wildes, ungeheures Tier. Sie ist die fleischgewordene Sünde, die in seidenen Strümpfen durch die Straßen schlendert», flüstert er.
    Und der siebzigjährige Indianerhäuptling, Konstantys Mutter, mit dem Zimmer verwachsener Körper, streichelt Kostek über den hellen Kopf. Stach Szukalski aus Warta an der Wand, die Mutter im Sessel, das graue Haar wie ein Wasserfall. Wir schreiben das Jahr 1936 , und Konstanty ist schön und glücklich.
    «Denk daran, mein Sohn, wenn du in ihre Möschen eindringst, befriedigst du nicht nur dein Tier, dann vollziehst du die Vereinigung mit der Essenz von Polen. Denk nicht an diese Frauen, sie sind nur Fleisch: Denk dann an Polen. Ich bin Polen.»
    Ich würde gern protestieren, bist du irre geworden, Mutter, das ist ein Wahnsinn, er würde gern, aber wie soll er protestieren, wenn die siebenundzwanzig Knochen der mütterlichen Hand, von Hautfell überzogen, sich zur Faust ballen und die vier Knochen des ausgestreckten Zeigefingers auf den Sekretär zeigen. Und der mütterliche Mund sagt:
    «Reich mir das Scheckheft, mein Sohn.»
    Er reichte es ihr: Scheckheft, Füllfeder, und die Mutter, nur die Hand bewegend, ohne zu zittern, stellte den Scheck aus. Die Postsparkasse, Zweigstelle Warschau, möge auf diesen Scheck auszahlen zu meinen Lasten, die Fasern des dünnen Papiers saugten die Tinte auf, an Konstanty Willemann, mein Vor- und Zuname auf der punktierten Linie, eintausend Złoty.
    Und er ging, verbrüht von ihrem Wahn, mit einem Scheck über tausend polnische Złoty in der Jacke, klopfte behutsam auf die Tasche und freute sich über den Schatten eines papiernen Raschelns, gedämpft vom weichen Flanell. Und der Wahn seiner Mutter löste sich von ihm in großen Lappen ab und fiel auf den Bürgersteig wie tote Quallen. Wenn er danach ins Adria kam, Zur Goldenen Ente, ins Lours, zu Simon oder in die Ziemiańska, war er schon wieder Konstanty Willemann, von dem man wusste, dass er sich für Polen entschieden hat, obwohl er auch ein preußischer Aristokrat hätte sein können, der Onkel Graf Major in einer deutschen Panzerdivision, Kürassieroffizier und bekannter Sportler. Der geschändete Vater hatte seine Schmach mit Blut getilgt an der Front des ersten Krieges, er war von einer polnischen Kugel gefallen am Annaberg, angeblich hatte er den Tod aus Liebe zur Mutter gesucht. Konstanty sah ihn, ich sah ihn mehrere Monate vorher zum letzten Mal.
    Statt des schwarzen schlesischen Adlers auf der Mütze trug er Totenkopf und Knochen der Husaren des Todes, so behauptete sie, und er, Konstanty Willemann, trägt ihren Namen und ist Pole. Welch ein Triumph!
    Er erinnert sich an den silbernen Totenschädel auf der Mütze,

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