Morphin
würde ihn gern aufhalten: Geh nicht zu ihr, Konstanty, sie wird dich nicht retten, sie wird dich hineinsaugen in ihren geräumigen Wahn, geh nicht, Konstanty, ich würde gern aus dem Schatten treten, dich umarmen, aufhalten, Konstanty, Dummerchen, geh nicht zu ihr! Sie kann dir nichts mehr geben.
Also gehe ich hinaus, und es ist, als folgte sie mir, nicht Salomé, nicht meine Mutter, sondern sie. Sie geht mir nach, schreitet langsam, unwillig hinter mir her und kann sich doch von mir nicht lösen, muss mir nachgehen, und ich weiß, ich weiß, es ist eine Frau, besser gesagt fraulich, ein weibliches Element, das der Erde, der Feuchtigkeit und des Mondes. Und ich höre nicht auf sie, so wie ich in diesem Augenblick nicht auf Salomé hören würde, selbst wenn sie nicht schwiege, wie sie es tut, und laufe hinaus, die Holztreppe, die Dobra und mache plötzlich auf der Stelle kehrt! Bei ihr, bei Salomé, ist mein Fläschchen geblieben, das Glück für hundert Złoty, wie kann ich das stehen lassen, nicht mitnehmen?
Außerdem fällt mir ein: Polizeistunde. Mir fällt ein: Die Armbanduhr an meiner Hand, neunzehn Uhr zweiunddreißig. Schon eine halbe Stunde.
Also kehre ich zurück, zerstreut und wie in Fetzen, kehre wie zerstückelt zurück, als hielte nur meine Kleidung mich zusammen, die verlorene Aktentasche, da bin ich, die Tür schon verschlossen, also donnere ich gegen die Tür, die Tasche verloren, ich hämmere, würde das dünne Holz zerbeißen, doch sie macht auf, steht vor mir, die Hure, Salomé, also gebe ich ihr schon im Flur eins ins Gesicht, so muss man mit ihr reden, habe die Peitsche nicht vergessen, da ich zur Frau gehe, ich bin Konstanty Willemann, und mein ist die Kraft, und sie, Salomé, muss diese Macht anerkennen und tut das auch, wieder bin ich der Konstanty, den sie kennt, den sie erobert und um den Finger gewickelt hat und dem sie sich in ihrer Eroberung gleichzeitig unterworfen hat. Die Tasche verloren.
Wir gehen zum Bett, das Bett ist unser, die goldkorbgefasste Spritze, die Nadel, schon strömt das Glück durch meine Adern, und sie, mit wehem, tränendem Gesicht, tut, was ihre Sache ist, glücklich in ihrer Unterwerfung. Oder stehe ich vielmehr auf der Straße?
Was ist mit dir, Konstanty?
«Was ist mit dir, Kostia?», fragt Salomé.
Also bin ich bei ihr, von ihren Lippen umfasst, liege nackt auf dem befleckten Laken ihres Nuttenbetts, das Glück im Blut liebkost mein Gehirn, und sie liebkost mich, ihre Hände auf meinen Hüften.
So ist es sicherer für ihn, gut, dass er nicht zu seiner Mutter gegangen ist, meine dürren Arme wachen über ihn, mein gläserner Blick wacht über ihn, ich selbst wache und konnte ihn doch nicht vor dieser Frau bewahren, die ihn unter Drogen setzt und liebkost, nicht vor seiner Mutter bewahren und ihn nicht vor Polen bewahren.
Und ich zerfalle zu Flaum, ertrinke in Melasse, meine schöne, gute Salomé, meine schmutzige, besudelte, befleckte Salomé, wie viele Männer haben den kleinen Tod in deinem Körper gefunden? Und ich sterbe einen nicht kleinen Tod, sterbe hundertfach in ihrem Mund, und sie lacht, denn sie weiß, ich gehöre ihr, nicht Hela, nicht Polen, nur ihr, denn sie hat mich zwischen den Zähnen und könnte mich zerquetschen, wenn sie nur wollte.
Licht umhüllt mich wie warmer Schaum, hundertjährige Mauern umwickeln mich wie ein Seidenschal, Ziegelsteine wie Liebkosungen, Lippen wie Putz an den Leib gelegt so sanft, dass ihre rosige, dünne Haut nicht mal gedrückt wird.
Und ich frage zwischen Bettzeug und Federn: Wer ist er, Salomé? Wohin ist dieser Lemberger Fettwanst mit meiner Tasche gegangen? Eine sehr wertvolle Sache hatte ich darin, ein Paket, das Polen mich am Erlöserplatz abliefern hieß, erster Stock des Hauses Nr. 6 in der 6 .-Sierpnia-Straße, wo Frau Teresa Łubieńska wohnt, und das ist eine wichtige Wohnung, meine schöne, gute Hure, du musst das verstehen, meine wunderbare Salomé, ich muss diese Tasche wiederkriegen und das Paket, das in ihrer Dunkelheit ruht, verstehst du das, Salomé?
Und sie lacht, verschluckt sich und lacht.
«Wo bleibt dein Humor, Junge, hol mal Luft in die Lunge!»
«Was?», frage ich.
«Wo bleibt dein Humor, Junge, hol mal Luft in die Lunge!», singt Sala mit der Stimme von Adolf Dymsza.
Ich schlafe ein, versickere im Bettzeug, um mich herum Laken, die muffige Luft von Salomés Wohnung, die alten Mauern des Mietshauses, um mich herum Warschau, draußen irgendwo der Fettwanst und meine
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