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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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flüssiges Glück in die Adern, flüssiges Geld, das er besser für deine Zukunft sparen sollte, Gold damit kaufen, es vergraben, und dein geliebter Papa gießt mit goldnadliger und goldkörbig-prächtiger Spritze flüssige Freude und Trost in seine Adern und die der rothaarigen Hure.
    An der Klassentür klopft es, die schönäugige und schöngesichtige Schwester im weißen Novizinnenschleier tritt ein. Sie bringt eine Scheibe Brot und einen Blechbecher mit heißem Tee, sogar gesüßt.
    Ich danke und esse, dann bette ich mich an der Wand und beschließe, die Zeit zum Kräftesammeln zu nutzen. So geht ein Offizier vor: Zeit und Handlungen optimieren.
    Ich rolle mich zusammen, hinter den Bänken, ziehe die Jacke von den Schultern und nehme sie als Decke. Meine Augen fallen zu, übersatt von der Nacktheit der widerlichen Salomé, übersatt von den Septemberschlachten, übersatt von der Verteidigung Warschaus und der vergewaltigten Stadt und den düsteren Wänden der Wohnung Anielas.
    Jemand rüttelt an mir, ich erwache.
    «Herr Oberleutnant!»
    «Ohne Ober», antworte ich maschinell.
    «Wie bitte?» Schwester Eulalias Stimme verrät Verwunderung.
    «Leutnant.»
    Ich öffne die Augen. Hinter Schwester Eulalias Stimme steht Schwester Eulalia und rüttelt mich verächtlich an der Schulter.
    «Es ist Zeit.»
    Ich springe auf. Schon Zeit. Ich rufe mir alles in Erinnerung: wo ich bin und wozu, Kloster Waffen vergraben Grottgers Polen.
    Reibe mir das Gesicht mit den Händen. Frösteln. O flüssige Freude, wo bist du, weshalb hast du mich schon verlassen, wohin bist du, fließt du bereits in den Adern der widerlichen Salomé?
    Muss den Gedanken abschütteln, jetzt ist keine Zeit dafür.
    Ich gehe mit Schwester Eulalia auf den Hof. Zwei Schwestern mit Spaten, ein Mann von für mich unbestimmbarer Profession, nur aus der Kleidung kann ich schließen, dass er so etwas wie ein Wachmann oder Hausmeister ist.
    «Bitte graben Sie», ordnet die Schwester an.
    «Kommt auch keiner unerwartet vorbei?», vergewissere ich mich.
    «Ich lasse auf der Straße und am Eingang Wache stehen, wenn jemand kommt, werden wir gewarnt.»
    Ich freue mich, weil es dunkel ist und niemand sieht, wie ich erröte. Feiner Offizier.
    Aber nein, nicht so, Konstanty, keine Selbstquälerei jetzt, keine Zweifel, jetzt ist es wichtig, die Pistole aus der Kiste zu holen und mit ihrer Hilfe das Paket wiederzubekommen. Das ist das Wichtigste.
    Die Spaten knirschen auf dem Stahl, der Deckel wird freigelegt, Schwester Eulalia gibt Anweisungen, und die Schwestern sowie der proletarisch gekleidete Proletarier machen sich daran, den zugelöteten Deckel mit Hilfe von Meißel, Hämmern und Brecheisen zu öffnen. Ich stehe daneben, ohne mir auch nur die Hände schmutzig zu machen.
    Die Kiste ist offen. Ich trete in die Grube, achte darauf, mir nicht die Hosenbeine zu beschmutzen, grabe aus dem deponierten Eisenzeug eine kleine Browning heraus, Kaliber sechs, prüfe das Magazin, es ist voll. Sechs Kugeln. Mehr brauche ich wohl nicht, aber zur Sicherheit schüttle ich noch fünf aus dem Magazin einer anderen Sechser, die ich dann zurück in die Kiste werfe.
    Ich stecke die kleine Pistole in meine rechte Westentasche, die Ersatzpatronen in die linke, und steige fast unbeschmutzt aus der Grube heraus.
    «Fertig», sage ich mit fester Stimme.
    «Wie sollen wir jetzt die Kiste verschließen?», fragt Eulalia.
    «Habt ihr keine Lötlampe», wundere ich mich dümmlich.
    «Woher denn?»
    Ich lasse meinen Blick über die Gesichter der an der Kiste versammelten, vom Graben erschöpften Schwestern und des Hausmeisters wandern, sehe Schwester Eulalia an.
    «Ich glaube, Sie werden dieses Depot ordnungsgemäß zu sichern wissen, Schwester», sage ich entschieden, lächelnd. «Bis bald dann, der Herrgott sei mit Ihnen! Zum Ruhme des Vaterlandes!»
    Und ich gehe, lasse die Schwester mit dem Problem zurück, das sie nicht lösen können, ohne Kraft, ohne Mittel, ohne Zeit.
    Ich gehe in die Czerniakowska. Klopfe mir auf die Weste, verspüre die Kraft und Freude, dass ich bewaffnet bin. Ein bewaffneter Mensch ist etwas völlig anderes als einer ohne Waffe.
    Egal, dass es gegenüber, in den Chevauleger-Kasernen, von Deutschen wimmelt. Ich muss sie gar nicht sehen, ich weiß, dass sie dort nisten, die Siegersoldaten und Offiziere, zwischen unseren, vormals zaristischen Gebäuden haben sie ihre großen und kleinen Panzer geparkt, Geschütze und Wagen, ich pfeif darauf, ich habe eine Damenpistole

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