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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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hierhergelangt war, was jetzt? Was kann ich tun?
    Ich gehe die Leszno hinunter und weiß nicht, was tun. Lieber Gott, an den ich nicht glaube, du oder all deine Teufel, gib mir einen Rat, was tun, was tun?
    Plötzlich ein fürchterlich heißer Schlag im Unterleib, ich weiß schon und laufe in den ersten Hauseingang. Will mich dort erleichtern, stoße aber gegen das Tor und es ist auf, der leichtsinnige Hausmeister hat es vergessen. Vielleicht ist er abgehauen? Ich renne also auf den Hof des Mietshauses Nummer zweiundfünfzig, schlüpfe in der Dunkelheit hinter eine Bretterbude und mühe mich, mit aller Kraft die Arschbacken zusammenpressend, mit den sechs Knöpfen der Hosenträger ab, dann mit den Ösen und weiteren Knöpfen der Hose, schließlich gelingt es mir, sie zu öffnen und runterzuziehen mitsamt der Unterhose, in mir brodelt es, aber ich fürchte noch, ich würde die Jacke verdrecken, also ziehe ich sie aus und hänge sie an einen Nagel in den Brettern, im letzten Augenblick schaffe ich es, mich hinzuhocken und mich zu entleeren. Ich habe keine Wahl, wische mich mit dem Taschentuch ab, werfe es in die Ecke und stelle beim Anziehen angewidert fest, dass ich zwar die Jacke gerettet, aber meine Hose versaut habe.
    Ich habe mir die Hose vollgeschissen.
    Meine Mutter hätte mir den Mund mit Seife ausgewaschen für so ein Wort, aber genau das ist es – ich habe mir die Hose vollgeschissen. Nicht sehr, aber immerhin. Beschissen. Mit Scheiße.
    Ich knete die ordinären Wörter im Mund, als könnten sie gegen diese Verdreckung helfen, das tun sie natürlich nicht.
    Ich zünde ein Streichholz an und sehe mich um: Nichts Brauchbares in der Nähe.
    «Was scheißen Sie hier, ist das vielleicht ein öffentliches Klo?», brüllt eine Männerstimme aus einem Fenster.
    Ich bin nicht nur dreckig, sondern in diesem Dreck auch noch kompromittiert, beschämt, nackt.
    Greif an, Konstanty, sonst haust du hier ab wie ein Schüler, der beim Onanieren erwischt worden ist. Du musst angreifen, mein Lieber, du musst!
    «Schnauze halten, du Schwein!», brülle ich zurück. «Ich habe den Krieg gewonnen, also scheiße ich, wo es mir passt!»
    Der Fensterflügel wird zugeschlagen.
    Da stehe ich nun, Konstanty Willemann, nachts auf dem Hof eines Mietshauses in der Leszno zweiundfünfzig, ich, Reserveoffizier, Rentier und Bonvivant, mit zerschlagener Fresse in vollgeschissener Hose aus englischem Tweed und mime den triumphierenden Deutschen, der scheißen kann, wo es ihm passt.
    Im Grunde fühle ich mich sicher hier, einen Deutschen werden sie nicht anrühren, deshalb ziehe ich das Seidentüchlein aus der Brusttasche und reibe damit die Hose wie verrückt, um es am Ende zum Taschentuch zu pfeffern.
    Ich fühle mich, als wäre ich ganz mit Scheiße vollgesaut, als hätte ich sie in der Nase und unter den Fingernägeln. Unter den Fingernägeln kann sie wirklich sein.
    Ich gehe zurück auf die Straße und breche in meine Richtung auf, stinkend und im Grunde leicht amüsiert von der ganzen Situation, weiter ohne Plan und Idee, was ich tun soll.
    Ich komme an der Rettungsstelle vorbei.
    Vor der Adresse Leszno sechzig bleibe ich stehen. Das Schaufenster des Cafés mit Papierstreifen verklebt, vielleicht ist der Besitzer abgehauen, jedenfalls sieht es geschlossen aus.
    Ich versuche es: Das Tor verschlossen.
    Was tun, was tun?
    Ganz einfach!
    Ich donnere gegen die Tür, als würde es brennen. Kurz darauf von weit her die Stimme des Hausmeisters.
    «Komme ja schon, verflucht, was ist los, brennt’s? Wisst ihr, wie spät es ist, Leute?»
    Das große, quadratische Auge des Spions glotzt mich an. Ich wende ihm die unversehrte Seite meines Profils zu.
    «Wer da, verflucht noch mal?», fragt der Hauswart.
    «Aufmachen, Polizei!», zische ich.
    Wie der Halunke gleich erschrak!
    Woher will ich wissen, dass das ein Halunke ist? Er hat eine Halunkenfresse, reicht das nicht? Ich habe auch eine Halunkenfresse, wundgeschlagen.
    Das Tor öffnet sich vor mir.
    «Bitte, bitte sehr …», flüstert der Hauswart unterwürfig.
    Ich winke nur ab und steige die Treppe hoch, Scheißegeruch hinter mir herziehend. Ich komme durch den dritten Stock, spüre Entschlossenheit in mir, Selbstsicherheit, keine Skrupel, dabei weiß ich überhaupt nicht, was ich tun will.
    Ich nehme die Browning aus der Tasche, ziehe den Sicherungshebel zu mir, die Patrone springt vom Magazin ins Lager. Tür Nummer dreizehn.
    Ich halte mein Ohr daran. Stille. So leise wie möglich drücke ich

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