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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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verbotenen Städte Tibets, aus den Büchern, denen du zu glauben schienst, und träumtest von Nepal und von Dschungeln, von weiten Wäldern voller feuchten, üppigen Grüns, exotischer Früchte, gefährlicher Tiere, die deinem Stutzen ausgeliefert waren, und halbnackter weiblicher Eingeborener, die – einmal auf Fotos einer Illustrierten gesehen – deine holprige Jungsphantasie bevölkerten, sich dort heimisch machten, und du stelltest dir vor, wie du der Gottkönig des wilden Stammes wirst und aus ihren Männern deine kleine Armee bildest, von Händlern die neusten Gewehre und MG s kaufst, einen Aeroplan zu deiner persönlichen Verwendung und Kanonen, und die halbnackten Frauen stehen dir alle zu Diensten, zu Konstantys Diensten, sie dienen dir mit ihren Körpern, und du herrschst über sie, und deine Phantasie servierte dir immer gewagtere Bilder dieser braunhäutigen, schweißfeuchten Körper.
    Du warst anders als deine Alterskameraden, Kostek, denn sie kannten die Einzelheiten des weiblichen Körperbaus noch nicht, einmal kam es zum Streit, unter Verwendung eines sehr bescheidenen Begriffsapparats aufgrund von fragmentarischen Beobachtungen an Dienstmägden, Kinderfrauen und – was einigermaßen verschämt zugegeben wurde – den eigenen Schwestern. Also, das Möschen: Wie viele Öffnungen hat es? Eine zum Pinkeln, schließlich pinkeln die Mädchen auch, eine zum Kindergebären und eine dafür, um den Schwanz hineinzustecken?
    Weißt du noch, Konstanty?
    Du zerstreutest ihre Zweifel im Ton eines Menschen, der seiner anatomischen Kenntnisse überdrüssig ist.
    Also eine einzige Öffnung, und man steckt es dort hinein, wo sie pinkeln? Widerlich. Aber du pinkelst mit deinem Pimmel auch, Idiot. Ja schon, aber das ist was anderes, das sind ja Mädchen.
    Und wenn nur eine Öffnung, wo befindet sie sich dann? Wenn du dich auf die Frau legst, dann zielt der Schwanz nach unten, wie das Lot des Landvermessers, also anatomisch gesehen, Herr Kollege, wenn die Frau liegt, muss diese Öffnung vorn sein, damit man ihn reinstecken kann. Dummkopf, guck doch mal, hier, die Venus von Milo. Siehst du da eine Öffnung, Idiot? Selbst Idiot, Fischficker, das ist doch nur eine Skulptur. Skulptur ist, wenn der Kutscher deine Mutter im Stall bildhauert.
    Dann sprachen die Fäuste, aber du hast alles geklärt. Alles.
    Aber dieses Wissen machte dich ein paar Jahre später keineswegs erwachsener, Kostek. Damit konntest du den Mädchen in der Pension nicht imponieren, von wegen. Mit solchem Wissen hättest du einer Nutte imponieren können – so jung und weiß schon, wie und was –, im Gegenteil, das Wissen lähmte dich. Andere, die nicht wussten, wie schwierig es ist, machten es schon, und alle Augenblicke kam einer stolz wie Oskar zur Schule und gestand: Die Dienstmagd, eine Prostituierte oder sonst eine Frau hat mich zum Mann gemacht! Und es ist ganz einfach, man steckt ihn rein, pumpt, steigt runter und fertig.
    Du wusstest, was alles schiefgehen kann, deshalb hattest du mehr Angst als sie.
    Das mit Iga fing an mit Gesprächen, mit braven Spaziergängen am Tage und konspirativen in der Nacht, du gingst einfach raus, sie schlüpfte wendig aus ihrem Zimmer im ersten Stock und stieg durchs Fenster, und dann gingen wir an den Miadziołsee oder auf den tatarischen Friedhof im Dorf und unterhielten uns, und ich führte zum ersten Mal im Leben solche Gespräche, intim, warmherzig, nah.
    Dann küssten wir uns das erste Mal, am See und sogar bei Vollmond, und ich erinnere mich bis heute an den unerhörten Geschmack ihrer Lippen und wie meine Zunge schließlich zwischen diese Lippen wanderte und ihre Zähne berührte, und sie nimmt sie auf und ihre Zunge antwortete, und dann meine Hände auf ihrem Rücken, es brauchte lange, bis der letzte Zentimeter Luft überwunden war, der sie von diesem Rücken trennte, sie konnten sich zu dieser letzten Etappe nicht entschließen, taten es aber am Ende doch, und nur die dünne Wolle ihres Pullis trennte sie von der Haut; ich erinnere mich an das Gewebe, rau und weich zugleich.
    Iga schauderte.
    Und zwei Tage später war die Nacht so warm, fast drückend. Nach dem Abendessen flüsterte Iga mir ins Ohr, ich solle eine Decke mitnehmen, und ich wusste, was kommen würde.
    Ich hatte Angst, ich würde es nicht schaffen, würde das nicht richtig machen können, ich wusste ja nicht, wie, und ging im Kopf tausendmal die anatomischen Einzelheiten durch, was mich keineswegs mutiger machte, denn von meiner

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