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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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Mutter kannte ich auch Wörter wie Ejaculatio praecox und andere nicht gerade ermutigende Begriffe. Ich tröstete mich damit, dass sie es auch nicht wusste – sie hatte mir schon gestanden, dass sie nie mit einem Mann gewesen war; davon war ich auch ausgegangen, anders konnte es nicht sein.
    Und später, auf der Decke, schworen wir uns alles, was man sich schwören kann, wenn man das erste Mal so wirklich liebt: dass wir uns nie trennen würden, bis zum Lebensende, und alles andere. Jeder dieser Schwüre wurde gebrochen.
    Dann geschah es, wir zogen uns aus, jeder für sich, wir berührten uns, und sie hatte Angst vor meinem Membrum virile, das so angeschwollen war, und als sie es anfasste, war natürlich gleich alles vorbei, und ich schämte mich, aber Iga war verständig, wenn auch unerfahren, ebenso neugierig und begierig wie geduldig, und die weibliche Intuition diktierte ihr, was zu tun sei.
    Dann ihr Schmerz, der Schrei, Küsse. Danach lagen wir auf der Decke, in der Decke, aneinandergeschmiegt und versprachen uns wieder alles, die Ewigkeit.
    Und dann trennten wir uns, vor dem Landhaus der Rochacewiczs, und Iga ging auf ihr Zimmer, ich in meines, und danach trafen wir uns noch einmal und versprachen uns wieder alles. Und dann trennten wir uns endgültig, und jeder von uns kehrte nach Warschau zurück.
    In Warschau stritten wir uns furchtbar. Sie schwor, sich nie mehr zu melden, und tat es auch wirklich nicht, dann trafen wir uns wieder, die Sache wurde gleich viel offizieller, und dann kümmerte es uns kaum mehr, was Igas Eltern sagen würden; dann trennten wir uns, weil ich mich in Helena verliebte, Iga hasste mich dafür, bis Jacek sie nahm und ihr den Hass auf mich abgewöhnte, und wir lebten die zweite Hälfte der dreißiger Jahre in traulicher Freundschaft, die jetzt gerade, da ich mit dem Kopf auf Helas Knien liege, ihrem traurigen Ende zugehen, am vierzehnten Oktober 1939 . Es klingt immer noch irgendwie seltsam – «die dreißiger Jahre».
    «Dreißiger Jahre was?», fragt Hela.
    «Weißt du, Hela, im August hat Iga versucht …», beginne ich. Doch Hela legt mir die Hand auf den Mund.
    «Ich weiß nichts und will nichts wissen. Schweig, Konstanty, sag nichts.»
    Sie hat versucht, mich zu verführen. Soll ich jetzt meiner Frau sagen, dass ich ausgerechnet da widerstanden habe, aber nicht Helas wegen, sondern wegen Jacek, denn in Trembowla hieß es: Die Ehefrauen der Kameraden Offiziere verführen wir nicht, Leutnant Willemann! Ich habe mir das gemerkt, ausgerechnet das habe ich mir gemerkt.
    Iga hat es versucht, an Jaceks Namenstag, den Wedel ihm im Kakaosalon unseres Schokoladenhauses ausrichtete, wie lang ist das her, zwei Monate, eine Ewigkeit. Es war Sommer, Jacek und ich machten uns Sorgen, weil wir keine weißen Smokingjacken hatten, am Ende bestellten wir zwei und fragten uns, ob sie rechtzeitig fertig würden. Sie wurden es. Jetzt hängt diese Jacke in meinem Schrank, ich könnte die Tür öffnen und nach der feinen weißen Wolle greifen, doch wozu?
    Mit Iga habe ich damals viel gesprochen, per Telefon und persönlich, wir haben uns erinnert, und zwischen uns stand diese in anderer Konfiguration unwiederholbare Nähe ehemaliger Geliebter, die sich immer noch wohlgesinnt sind, auf neue Art zärtlich zueinander, über vergangenen Hass erhaben. An Jaceks Namenstag klang ein Slowfox aus dem Film «Włóczęga» von der Platte, Mieczysław Fogg sang, und das Orchester Syreny spielte.
    Und wir gingen im Kreis auf dem für diese Feier freigeräumte Parkett des Cafés, und du flüstertest mit Fogg, hattest ein hellblaues Kleid mit langen Ärmeln an und flüstertest, Iga …
    Nichts weiß ich von dir
    Nicht, wo dich hergeweht der Wind
    Kenne weder deine Fehler
    Noch weiß ich, was deine Vorzüge sind
    Eines nur allein weiß ich
    Über dich genau
    Du machst mir mein Herze flau
    Du hast wunderbar getanzt, Iga Rostańska, ich wohl auch nicht so übel, und so schön waren wir, ehemalige Geliebte im Slowfox, schnell, schnell, langsam, mein Schenkel zwischen den deinen, mein Fuß zwischen deinen Füßen, unsere Hüften, sich berührend, dein Oberkörper und dein entzückender Hals zurückgebogen, doch unsere Augen trafen sich, und du flüstertest mit Fogg, Wort für Wort.
    Eines nur allein weiß ich
    Über dich genau
    Du machst mir mein Herze flau
    Hela sah zu uns her, Hela, auf deren Knien ich jetzt liege, Hela sah zu, was dachte sie sich, wir tanzen doch nur, mein Schenkel von der Seide deines Kleides

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