Morphin
umhüllt.
Dann führte ich dich an den Tisch, und wir unterhielten uns, tranken Wermut, und als Hela nach oben ging, um nach Jureczek zu sehen, flüstertest du, nie sei es für dich mit Jacek so gewesen wie mit mir auf dieser Decke.
Eine sehr schöne Lüge war das, und dann hast du mein Ohr geleckt. Und ich sah Jacek, der mich nicht sah, und floh, ich floh zu Hela, warf die weiße Jacke über den Stuhl im Schlafzimmer und legte mich neben meine Frau, ungemein stolz auf mich selbst.
Jetzt also schweige ich, auf Helenas Knien, die weiße Jacke hängt im Schrank, absurd. Ich denke, was Jacek jetzt wohl tut, mein einziger Freund, mir nach Hela am teuersten.
«Was gibt’s bei Jacek?», fragt Hela. Sie denkt an dasselbe.
«Weiß nicht.»
«Wann hast du ihn gesehen?»
«Mittwoch.
«Im Krankenhaus?»
«Ja.»
«Du wolltest Morphin.»
«Ja.»
Sie weiß es ja längst, hat mich ja gesehen, vor drei Tagen, da werde ich nicht lügen.
«Und er hat dir was gegeben?»
«Ja.»
Sie schweigt, und ich schweige.
«Ruf ihn an. Das Telefon funktioniert wieder. Sag ihm … Sag ihm, dass du Iga finden wirst.»
«Ich werde gut sein, Hela. Werde keine Drogen mehr nehmen. Und nicht trinken. Ich gehe in den Untergrund, sollen sie mich töten, wenigstens wird mein Leben dann für etwas gut sein, wenigstens werde ich für etwas von Nutzen sein.»
Ich sehe es nicht, höre und spüre aber: Sie lächelt, lächelt vorsichtig – vielleicht zweifelnd, oder aber hoffnungsvoll, freudig – ich weiß nicht.
«Aber ruf Jacek an. Immer noch die alte Nummer.»
Ich erhebe ich mich von ihren Knien, gehe zum Apparat.
«Doktor Rostański bitte. Mein Name ist Willemann.»
Was werde ich ihn fragen, was ihm sagen?
«Ja bitte.»
«Ich bin’s, Konstanty.»
«Du kriegst nichts, Schluss und aus. Lass das Betteln, ruf nicht mehr an und komm nicht vorbei», antwortet er hart.
«Aber ich will gar nichts, Jacek.»
«Erzähl keine Märchen.»
«Tu ich nicht. Ich habe Schluss gemacht.»
Wir schweigen.
«Was gibt’s bei dir?», frage ich dann.
«Sie sterben, einer nach dem anderen.»
Wir schweigen wieder.
«Hast du Nachrichten von Iga?»
«Noch nicht», sage ich leise. «Aber ich suche. Ich habe einen Mann, der sie finden wird, er hat Kontakte zur Polizei, zu unserer und zur deutschen. Er wird sie finden.»
«Danke, Kostek.»
«Nichts zu danken.»
Im knisternden Hörer irgendwelche Stimmen.
«Ich muss los, sie rufen.»
«Dann mach. Auf Wiedersehen, Jacek.»
Der Hörer auf der Gabel, ich zittere in meiner Wohnung, im Schokoladenhaus, Hela sieht mich an, die gute, geliebte Helena, weg ist die böse Hela, vor der ich mich fürchtete.
«Was ist mit ihm?», fragt sie.
«Nichts. Er arbeitet. Die Verwundeten sterben.»
Der tapfere Jacek, tapfer im Medizinstudium, tapferer Verbindungsbruder, tapfer mit dem Schläger in der Hand und tapfer am Operationstisch.
Tapfer war er sogar, als ich ihn wirklich umbringen wollte. Als wir vor fünf Jahren mit glattläufigen Pistolen voreinander standen und Jacek zuerst abdrücken sollte und demonstrativ in die Luft schoss, mir seine breite Brust darbot, mir ebenso entschuldigungsheischend wie verzeihend zulächelte und dann die Augen schloss.
Du wolltest ihn wirklich töten, Kostek, ich erinnere mich gut, ich stützte deine Hand mit der Pistole, und du hast gezielt, um zu töten, du hast geschossen und nicht getroffen, Kostek. Heute glaubst du, du hättest absichtlich danebengeschossen, aber das ist nicht wahr. Du hast danebengeschossen, weil die Pistole nichts taugte, denn die Sekundanten hatten in Absprache mit den Parteien die Zielvorrichtungen verstellt, ihr schosst auf einer Reitbahn der Chevaulegers aus fünfunddreißig Schritt Entfernung. Aber du hast auf seine Brust gezielt, die Brust des einzigen Menschen, den du als Freund bezeichnen konntest und kannst, sein Gesicht sahst du über dem schwarzen Balken des Laufs, sein weißes Brusthemd – denn ihr wolltet nicht in Uniform schießen, obwohl ihr das als Offiziere gekonnt hättet.
Doch die Uniformen widerten euch an, auch diese Abneigung hat euch verbunden, so wie alles euch verbunden hat und sie, Iga, euch trennte.
Iga hat euch getrennt, Iga hat uns getrennt.
Ich war schon verliebt in Hela. Wie war das, weißt du es nicht mehr, Kostek, ich weiß es nicht mehr. Und doch hast du geschossen. Ich wollte ihn nicht treffen und habe nicht getroffen, ich hätte doch Jacek nicht töten können. Sei’s drum, Kostek, erinnere dich so, wie du
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