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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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notwendigste. Wir brauchen Sie nicht als irgendeinen Deutschen, sondern als Strachwitz.»
    «Ich bin Willemann!», rufe ich. Erschrocken von diesem Schrei sehe ich mich im Saal um. Der Kellner guckt forschend. Witkowski lächelt die ganze Zeit, als wäre das, was jetzt passiert, längst beschlossene Sache und es gelte nur noch, meine Zicken und Klagen zu ertragen.
    «Aber Sie werden heute noch Herr Strachwitz sein. Und denken Sie nicht, dass wir irgendwelche Gerüchte in Umlauf bringen. Dass Sie unser Agent sind, wird streng geheim bleiben, Sie werden demütig alle Schikanen der Gesellschaft erdulden müssen.»
    «Meine Frau wird das nicht ertragen.»
    Witkowski zögert einen Augenblick, weitere widersprüchliche Grimassen laufen über sein Gesicht, zuerst Kühle und Skrupellosigkeit, dann plötzlich Nachgiebigkeit und Herzlichkeit. Er breitet die Arme aus:
    «Ihrer Frau können Sie es sagen.» Er lächelt wieder. «Diese Ausnahme machen wir. Ich kenne Ihren Schwiegervater, einer Frau aus solcher Familie kann man vertrauen.»
    «Ingenieur, aber sie wird das nicht glauben.»
    «Dann sage ich es ihr selbst. Ich zweifle nicht, dass sie das Geheimnis wahren wird. Aber wissen Sie was, wir müssen hier jetzt eine kleine Komödie inszenieren.»
    Mich überläuft ein Zittern.
    «O ja. Denn sehen Sie, dass Sie Reichsdeutscher werden, das glaubt jeder sofort, bei Ihrer Abstammung …» Er sagt das leichthin, wie etwas Belangloses, aber ich sehe doch, dass er meine Reaktion auf diese Worte beobachtet, und er scheint bekommen zu haben, was er sucht, denn mich schaudert sichtlich. Er spricht lächelnd weiter: «Ja, das wird Ihnen jeder abnehmen. Aber Ihre Frau kann keine Deutsche werden. Und so wird sie als Polin nicht an Ihrer Seite bleiben. Ihr werdet euch trennen müssen. Natürlich nur zum Schein. Sogar heimliche Treffen werden möglich sein, ab und zu.»
    Darauf finde ich keine Antwort mehr. Wie denn?
    Protestieren, Kostek, deinen Willen verteidigen, deine Würde, die du dir mit so viel Mühe erkämpft hast. Versuch es, lieber Junge, versuch’s.
    «Aber ich habe doch gerade noch gegen sie gekämpft», protestiere ich.
    «Du hast doch gar nicht geschossen, oder? Wir haben darüber gesprochen», sagt er, ohne auch nur für einen Augenblick sein Lächeln abzusetzen, das Lächeln einer Haifischschnauze.
    Mir bleibt die Luft weg, wieder duzt er mich.
    Kostek, lächerliche Fleisch- und Hautkugel, mein niedliches Spielzeug, Kostek, mein Einziger …
    Witkowski stößt mich in die Seite.
    «Ein Scherz, lieber Herr. Du hast gegen sie gekämpft, und sie werden dich dafür respektieren. Hast du von Guderian gehört?»
    Ja, sicher. Der General. Ich nicke.
    «Irgendwelche deutschen Cousins von ihm, aus Chełmno, haben auch als unsere Offiziere gekämpft, angeblich gut gekämpft, doch jetzt betrachten sie ihren Eid als obsolet, weil, stellen Sie sich vor, Polen nicht mehr existiert, also ist der Eid ungültig …»
    «Es existiert ja auch nicht mehr», falle ich ihm ins Wort. «Vielleicht ist er wirklich aufgehoben.»
    Der Ingenieur lacht sehr laut auf, klatscht sich auf die Schenkel.
    «Gut, gut! Das müssen Sie sagen, wenn Sie gefragt werden. Sehr gut!»
    Plötzlich wird er ernst, und ich begreife, dass Witkowski einfach das Schauspiel liebt, die abrupten Stimmungswechsel.
    Nichts hast du begriffen, Kostek, nichts weißt du, kannst die Menschen nicht lesen, denen du begegnest, weil du blind bist, nicht verstehst, was Menschsein heißt.
    «Aber jetzt im Ernst, das wissen Sie: Polen ist hier!» Der Ingenieur donnerte sich auf die breite Brust. «Und bei Ihnen auch. Ich weiß das.»
    Er steht auf.
    «Wenn Sie sich bei denen gemeldet und eingetragen haben, rufen Sie mich bitte an, wir werden Sie vereidigen, und Sie kriegen weitere Befehle. Na, bis dann.»
    Er klopft mir auf die Schulter. Ich stehe auf, immer noch wie von Sinnen.
    «Meiner Mutter muss ich die Wahrheit sagen.»
    Er lächelt breit, fröhlich wie der joviale Hausherr in einer schaumigen Komödie.
    «Das ist wirklich nicht nötig, aber das wirst du sehen. Na ja, ich muss los. Das Vaterland wartet. Habe die Ehre!»
    Ich antworte mit einem undeutlichen Murmeln, kann wieder nichts mit dem neuen Ton dieses weder rein geselligen noch ganz dienstlichen Kontakts anfangen, und was hätte ich sagen sollen, «jawohl, Herr Ingenieur. Ehre sei dem Vaterland»?
    Du hättest einfach diese Befehle nicht annehmen sollen, Kostek. Aber da du es getan hast, spielt es keine Rolle mehr, wie du

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