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Morphium

Morphium

Titel: Morphium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bekommen können.«
    »Miss Elinor behauptet, dass Mrs Welman ihr am Abend, bevor sie starb, gesagt habe, sie solle etwas für mich tun.« Schwester Hopkins gab einen zweifelnden Ton von sich.
    »Schon möglich. Aber es gibt viele, denen es nachher bequem gewesen wäre, das zu vergessen. Verwandte sind so. Ich habe da so manches miterleben müssen. Die menschliche Natur ist nun mal so, niemand trennt sich gern von Geld, wenn er rechtlich nicht dazu gezwungen ist! Ich sag Ihnen, Mary, Sie haben Glück gehabt. Miss Carlisle ist anständiger als die meisten Leute.«
    »Und dennoch habe ich – irgendwie – das Gefühl, dass sie mich nicht mag«, murmelte Mary.
    »Und mit gutem Grund, wenn Sie mich fragen«, erwiderte Schwester Hopkins geradeheraus. »Na, schauen Sie nicht so unschuldig drein, Mary. Mr Roderick verdreht doch schon einige Zeit die Augen nach Ihnen.«
    Mary wurde rot, und Schwester Hopkins fuhr fort:
    »Ihn hat’s arg erwischt, meiner Ansicht nach, hat er sich Hals über Kopf in Sie verliebt. Wie steht’s mit Ihnen, Mädel. Haben Sie ihn gern?«
    »Ich – ich weiß nicht, ich glaube nicht. Aber er ist sehr nett, natürlich.«
    »Hm. Er wäre nicht nach meinem Geschmack! Er ist einer von den Männern, die launisch sind und bei jeder Kleinigkeit die Nerven verlieren. Männer sind überhaupt nicht viel wert! Übereilen Sie nur nichts, meine liebe Mary. Mit Ihrem Aussehen können Sie sich’s erlauben, wählerisch zu sein. Schwester O’Brien sagte erst neulich zu mir, dass Sie zum Film gehen sollten. Blondinen sind dort sehr gefragt, habe ich gehört.«
    Marys Gedanken waren bereits weitergewandert.
    »Schwester, wie, meinen Sie, soll ich mich meinem Vater gegenüber verhalten? Er findet, ich sollte ihm etwas von diesem Geld abgeben.«
    »Tun Sie das bloß nicht!« Schwester Hopkins’ Stimme klang erzürnt. »Mrs Welman hat ihm dieses Geld nie zugedacht. Meiner Meinung nach hätte er seinen Posten schon vor Jahren verloren, wenn Sie nicht gewesen wären. Einen fauleren Menschen hat es nie gegeben!«
    »Es ist schon komisch, dass sie nie ein Testament gemacht hat.«
    Schwester Hopkins schüttelte den Kopf.
    »Die Leute sind so. Sie würden staunen. Immer wieder wird es aufgeschoben!«
    »Das scheint mir geradezu dumm!«
    Schwester Hopkins fragte mit einem leichten Augenzwinkern:
    »Schon selbst ein Testament gemacht, Mary?«
    Mary starrte sie an.
    »Ach nein.«
    »Und doch sind Sie schon über einundzwanzig.«
    »Aber ich – ich habe doch nichts zu hinterlassen –, das heißt, doch, jetzt schon.«
    »Natürlich haben Sie – eine nette, kleine Summe noch dazu!«
    »Gut, schön, aber es hat ja keine Eile…«
    »Da haben Sie’s«, meinte Schwester Hopkins trocken. »Genau wie alle andern! Dass Sie ein gesundes junges Mädel sind, ist kein Grund, nicht bei einem Autobusunglück ums Leben zu kommen oder auf der Straße überfahren zu werden.«
    Mary lachte.
    »Ich weiß nicht einmal, wie man ein Testament macht.«
    »Es ist leicht genug. Ein Formular bekommt man auf dem Postamt; holen wir gleich eines.«
    Das Formular wurde geholt und auf dem Tisch ausgebreitet. Schwester Hopkins war ganz bei der Sache; ein Testament zu machen, dachte sie, war beinahe so aufregend wie ein Todesfall.
    »Wer bekäme das Geld, wenn ich kein Testament machen würde?«, fragte Mary.
    Schwester Hopkins antwortete etwas unsicher: »Ihr Vater vermutlich.«
    »Er soll es nicht haben. Ich hinterlasse es lieber meiner Tante in Neuseeland… Ich weiß aber die Adresse meiner Tante nicht; wir haben seit Jahren nichts mehr von ihr gehört.«
    »Das macht, glaube ich, nichts. Sie kennen doch ihren Vornamen.«
    »Mary. Mary Riley.«
    »Das reicht. Schreiben Sie einfach: Ich hinterlasse alles Mary Riley, Schwester der verstorbenen Elise Gerrard aus Hunterbury, Maidensford.«
    Mary beugte sich über das Formular und schrieb. Als sie fertig war, erschauerte sie plötzlich. Ein Schatten war zwischen sie und die Sonne gefallen. Sie blickte auf und sah Elinor Carlisle, die vor dem Fenster stand und hereinschaute. Elinors Stimme klang kühl wie immer:
    »Was tun Sie denn da so emsig?«
    »Sie schreibt ihr Testament.«
    Schwester Hopkins strahlte.
    »Macht ihr Testament?«
    Plötzlich lachte Elinor – es war ein seltsames Lachen –, beinahe hysterisch.
    »Also Ihr Testament machen Sie, Mary. Das ist komisch. Das ist sehr komisch…«
    Noch immer lachend wandte sie sich ab und ging rasch die Straße hinunter.
    Schwester Hopkins starrte ihr

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