Morphium
es – es – hat alles in mir auf den Kopf gestellt. Du kannst das nicht verstehen…«
»Doch. Ich verstehe. Weiter.«
»Ich wollte mich nicht in sie verlieben… Ich war ja glücklich mit dir. Ach, Elinor, was für ein Schuft bin ich, so zu dir zu reden – «
»Unsinn. Fahr fort. Sag mir…«
Er stammelte:
»Du bist großartig… Nur mit dir zu reden, hilft einem schon so viel. Ich hab dich so schrecklich gern, Elinor! Das musst du mir glauben, das andere ist wie eine Verzauberung! Es stößt alles um: mein Leben – meine Freude an den Dingen – und – all die geordneten, vernünftigen Sachen…«
»Liebe – ist nicht sehr vernünftig…«
Roddy seufzte unglücklich.
»Nein…«
Elinors Stimme zitterte ein wenig.
»Hast du ihr etwas gesagt?«
»Heute früh – wie ein Narr – ich hab den Kopf verloren – Natürlich – verbot sie mir sogleich den Mund! Sie war entrüstet, wegen Tante Laura und – wegen dir – «
Elinor zog den Diamantring vom Finger.
»Da, nimm ihn zurück, Roddy.«
Als er ihn nahm, murmelte er, ohne sie anzusehen:
»Elinor, du hast keine Ahnung, wie schlecht ich mir vorkomme.«
Elinor fragte mit ihrer ruhigen Stimme:
»Glaubst du, sie wird dich heiraten?«
»Ich habe keine Ahnung. Nicht so bald jedenfalls. Ich glaube nicht, dass sie mich jetzt schon liebt; aber vielleicht mit der Zeit…«
»Du hast wahrscheinlich Recht. Du musst Geduld haben, sie eine Zeit lang nicht sehen, und dann – neu anfangen.«
»Liebste Elinor! Du bist der beste Freund, den man haben kann!« Er nahm plötzlich ihre Hand und küsste sie. »Elinor, ich liebe dich doch – genau so sehr wie immer! Manchmal kommt Mary mir nur vor wie ein Traum, aus dem ich erwachen könnte – und merken, dass sie nicht da ist…«
Elinor sagte:
»Wenn Mary nicht da wäre…«
»Manchmal wünsche ich das… Du und ich, Elinor, wir gehören doch zueinander. Wir gehören doch zueinander, nicht?«
Langsam neigte sie den Kopf und sagte:
»O ja – wir gehören zueinander.«
Und sie dachte: Wenn Mary nicht da wäre…
5
S chwester Hopkins war bewegt.
»Ein wunderschönes Begräbnis!«
Schwester O’Brien konnte nur zustimmen.
»Ja, wirklich. Und die Blumen! Haben Sie je so herrliche Blumen gesehen? Eine Harfe aus weißen Lilien war dabei und ein Kreuz aus gelben Rosen. Wundervoll!«
Schwester Hopkins seufzte und nahm sich noch ein Stück von dem guten Kuchen. Die beiden Pflegerinnen saßen im Café.
Schwester Hopkins fuhr fort: »Miss Carlisle ist wirklich großzügig. Sie gab mir ein schönes Geschenk, dabei hatte sie keinen besonderen Grund dafür.«
»Sie ist ein nobles, nettes Mädchen«, stimmte Schwester O’Brien warm zu. »Knauserei hasse ich.«
»Nun, sie erbt ja auch ein sehr großes Vermögen.«
»Ich möchte wissen…« Schwester O’Brien hielt inne.
Schwester Hopkins fragte aufmunternd: »Ja?«
»Es ist doch merkwürdig, dass die alte Dame kein Testament gemacht hat.«
»Es war unrecht«, sagte Schwester Hopkins scharf. »Die Leute sollten gezwungen werden dazu! Es entstehen nur Unannehmlichkeiten, wenn sie keins machen!«
»Ich zerbreche mir den Kopf, wie sie ihr Geld hinterlassen hätte, wenn sie ein Testament gemacht hätte?«
Schwester Hopkins sagte fest:
»Eines ist sicher.«
»Was?«
»Sie hätte Mary eine bestimmte Summe hinterlassen – Mary Gerrard.«
»Ja, das ist wahr«, nickte die andere und fügte erregt hinzu: »Habe ich Ihnen nicht erzählt, in welchem Zustand die Arme an jenem Abend war, als der Doktor sein Bestes tat, um sie zu beruhigen? Miss Elinor hielt die Hand ihrer Tante und schwor beim allmächtigen Gott«, sagte Schwester O’Brien, mit der ihre irische Einbildungskraft plötzlich durchging, »dass nach dem Rechtsanwalt geschickt und alles nach Wunsch geregelt werden sollte. ›Mary! Mary!‹ sagte die arme alte Dame. ›Meinst du Gerrard?‹ fragte Miss Elinor und schwor sofort, dass Mary zu ihrem Recht kommen sollte!«
»War es wirklich so?«
»So war es, und ich sage Ihnen, was ich denke, Schwester Hopkins: Wenn Mrs Welman dazugekommen wäre, dieses Testament zu machen, so hätte es wahrscheinlich eine große Überraschung für alle gegeben! Wer weiß, ob sie nicht jeden Penny, den sie besaß, Mary Gerrard hinterlassen hätte!«
Schwester Hopkins schüttelte zweifelnd den Kopf.
»Das glaube ich denn doch nicht. Ich glaube kaum, dass man sein eigen Fleisch und Blut leer ausgehen lässt.«
»Es gibt Fleisch und Blut und Fleisch und Blut«,
Weitere Kostenlose Bücher