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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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langsam ein mächtiger, kreisrunder, mattschwarzer Schatten. Der kurze Blick, den ich über meine Schulter warf, genügte, um zu erkennen, dass das Objekt kein Zeppelin war. Es sah aus wie ein riesiger Kegelstumpf, der langsam um seine Längsachse rotierte. Der Flugkörper besaß eine ebenmäßige, beinahe unwirklich anmutende Oberfläche ohne Fenster oder Fugen. Seine Außenhaut ähnelte jenem Metall oder Gestein, aus dem die gigantische schwarze Säule geschaffen war, zu der Archon mich nach unserer Landung in der Nebelbank geführt hatte.
    »Verdammt!«, fluchte der Kostümierte, als der gesamte Straßenzug in Dunkelheit versank. »Lauf! Lauf so schnell du kannst!«
    »Was ist das für ein Ding?«, fragte ich atemlos.
    »Quatsch nicht rum, lauf!«
    Am Gebäude angekommen, hasteten wir die Treppe zum Eingang hinab, drei, vier Stufen auf einmal nehmend und einen flimmernden Korridor entlang, dann hörten die Lichter abrupt auf, und wir standen nahezu im Dunkeln. Vor uns verlor sich ein schmaler Gang in klaustrophobischer Tiefe.
    »Wohin führt der Tunnel?«
    »Eine Ebene höher. Durch die Spalte gelangt man in den Sektor der … na, lass dich überraschen. Je eher wir aus der Temperzone rauskommen, desto besser, bevor sie den Straßenzug absperren. Wir treffen uns auf der anderen Seite.« Der Kostümierte stürmte voraus.
    »Moment!«, rief ich und eilte ihm hinterher. »Wird der Ausgang denn nicht bewacht?«
    »Natürlich, alle Verbindungen innerhalb der Hölle werden bewacht. Aber du hast da ja schon Erfahrung. Viel Glück!« Ich bemühte mich, seine Pharaonenrüstung im Auge zu behalten, doch er war zu schnell. Ehe ich die erste Tunnelgabelung erreichte, hatte die Dunkelheit ihn verschluckt.
     
    Die Passage verzweigte sich bald zu einem ausgedehnten Höhlensystem, wurde mal höher, mal niedriger, weitete sich da und dort zu kleineren Hallen und stieg nach kurzem Gefälle beständig an. Die Wände lumineszierten in einem geisterhaften bläulich-grünen Licht, das mir enthüllte, wohin ich lief. Teilweise waren Treppenstufen in den Stein geschlagen, und ab und an begegnete ich sogar einem durch das Labyrinth irrenden Menschen. Ständig mit der Angst belastet, eine Hand voll Chroner im Nacken zu spüren, rannte ich so lange durch den unterirdischen Irrgarten, bis ich vor Erschöpfung stolperte und der Länge nach hinschlug. Ich schloss die Augen, erwartete die Bisse der Temper, doch im Staub unter mir regte sich nichts.
    Keine Temper, kein Schmerz, kein Vakuum. Erleichtert drehte ich mich auf den Rücken und blieb ein paar Minuten liegen, ehe ich aufstand und etwas besonnener weitermarschierte. Die Rebasche hielt ich dabei wie eine stoßbereite Hellebarde an meiner Seite, bemüht, anhand von Fußspuren und Geräuschen den Weg zu finden. Als ich die lumineszierenden Höhlenwände aus der Nähe betrachtete, erkannte ich Myriaden winziger, leuchtender Tausendfüßler, die über das Gestein krabbelten. Peinlichst bemüht, die Wände fortan nicht mehr zu berühren, irrte ich weiter durch die Katakomben. Überall saßen reglose Gestalten im Schmutz. Sie blickten teilnahmslos vor sich hin und sahen nicht einmal auf, wenn ich sie versehentlich mit dem Fuß anrempelte. Manche von ihnen leuchteten beinahe schon wie das Gestein, an dem sie lehnten, andere Körper waren gänzlich von spinnwebartigem Geflecht umhüllt oder von bleichem, pelzigem Schwamm überwuchert. Viele trugen noch die Kleidung, in der sie diesen Ort erreicht haben mussten, andere waren splitternackt. Keiner von ihnen schien mich wahrzunehmen, oder die Tausendfüßler und Pilze hatten bereits ihre Gehirne aufgefressen.
    Rasch lief ich an den halb nackten und nackten Körpern vorbei. Ihr leichenartiger Geruch schwängerte das gesamte Höhlensystem. Aber sie lebten. Hin und wieder sah ich, wie sie mit den Augen blinzelten, soweit ihre Gesichter nicht vom Schimmel bedeckt waren, oder erkannte ihren Atem, der das Spinnwebgeflecht über den Mündern blähte. Auf Chroner stieß ich selbst nach Stunden des Umherirrens nicht. Stattdessen hatte ich das Gefühl, mich ständig in Kavernen wiederzufinden, die ich bereits durchschritten hatte.
    Neben einer Gestalt, die in eine völlig verrottete Uniform gekleidet war und die ich nach meiner Überzeugung bereits zum dritten Mal passierte, blieb ich schließlich frustriert stehen. Nirgendwo war ich auf eine Wegmarkierung gestoßen, die mir die Richtung in den nächsten Sektor wies, und auch der Kerl in der

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