Morphogenesis
ging alles sehr schnell. Kurz darauf erinnerte nur noch die am Straßenrand liegende Rebasche an sein Ende.
»Bist du verrückt?«, empörte sich der Kostümierte hinter mir. »Sieh, was du angerichtet hast! Das wird dich teuer zu stehen kommen. Niemand eliminiert straflos einen Chroner!«
»Eliminiert?« Ich schielte den Redner an. »Er ist gestürzt, und die Temper haben ihn beseitigt. Oder haben Sie vielleicht etwas anderes gesehen?«
»Ich vielleicht nicht, aber der dort!« Er deutete auf einen medizinballgroßen Augapfel, der auf acht langen, dürren Käferbeinen keine zehn Schritte entfernt in einer Ecke kauerte und unentwegt zu uns herübersah. »Du wirst nie einen Chroner ohne einen Zyklopen antreffen, der ihn begleitet. Meistens sind es sogar zwei.«
Mein Triumph verwandelte sich in Bestürzung. Vor lauter Bewegungszwang hatte ich völlig vergessen, auf Dinge zu achten, die still saßen. Ich befreite mich aus dem Griff des Redners, humpelte zu der Chronerwaffe, hob sie auf und wog sie abschätzend in den Händen. Sie war recht schwer und zweifellos nicht für menschliche Hände geschmiedet. Der verwaiste Zyklop schien misstrauisch geworden zu sein. Er hatte sich erhoben und tänzelte nervös im Schatten, ohne mich aus den Augen zu lassen. Das Geschöpf sah aus wie ein riesiges, fettes Insekt, seine langen, dürren Spinnenbeine machten es zu einem unberechenbaren Gegner, der sich auf dem Boden ebenso flink bewegen konnte wie an senkrechten Wänden.
»Was immer du vorhast, tu es nicht!«, warnte mich der Kostümierte.
Blitzschnell hob ich die Rebasche über den Kopf, zielte und schleuderte sie auf den Zyklopen. Ich wusste nicht, ob er überwiegend biologischer oder mechanischer Natur war, doch bei einem guten Treffer dürfte sich diese Frage erübrigen.
Der Zyklop machte einen Satz nach links, konnte aber trotz seiner Flinkheit nicht verhindern, dass die Spitze des Zeigers seinen Hinterleib traf und eine tiefe Wunde – besser gesagt: ein Loch riss. Es gab ein Geräusch, als würde eine Bildröhre implodieren, dann stoben Funken aus der Öffnung, begleitet von Dampfschwaden und – Blut! Das Ding erzeugte ein Geräusch zwischen Hundegejaule, Radiostörungen und dem Rasseln eines Weckers, ehe es die Zeigerspitze abschütteln konnte und lamentierend um die Ecke verschwand.
»Bist du denn völlig wahnsinnig geworden?«, zeterte der Redner auf seinen Kisten. »Innerhalb kürzester Zeit wird es hier von Aufsehern wimmeln. Wahrscheinlich werden sie den ganzen Straßenzug absperren!«
»Bis dahin habe ich diesen Sektor verlassen«, entgegnete ich und lief zu der liegen gebliebenen Rebasche. Die Zeigerspitze war mit Blut und einer öligen Substanz verschmiert. Wiederum kümmerte sich kaum jemand aus der dahintrottenden Menschenmenge um den Zwischenfall, die vereinzelten Blicke, die mir zuteil wurden, waren betont desinteressiert und apathisch. Nur nicht auffallen, lautete die Devise. Unterwürfiges Gesindel!
»Besser, du verlässt gleich diese Ebene«, schlug der Kostümierte vor. »Ich frage mich sowieso, was jemand wie du bei den Verschwendern zu suchen hat. Geh zwei Ebenen höher in die oberen Bezirke, dort werden sie dich vielleicht nicht so schnell finden.«
»In die oberen Bezirke?« Ich lachte müde, während ich den Sekundenzeiger putzte.
»Es gibt genügend Schilder, die dir den Weg weisen. Du wärst nicht der Erste, der hinaufsteigt.«
»Überall wimmelt es von Chronern.«
»Na und, dort kennt dich niemand.« Der Redner sah mich schief an. »Oder etwa doch?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Hmm … Diese schwarzen Flecken auf deiner Haut, ist das eine Krankheit?«
Ich sah an mir herab. »Das ist Schmutz …«
»Du stinkst nach Pech!« Der Kostümierte musterte mich. »Bist du etwa aus dem Pechsee gekrochen? Wie ein Lustknabe kommst du mir auch nicht vor. Welchem Sektor bist du zugewiesen?«
»Sie stellen zu viele Fragen.« Ich drehte mich um und tauchte wieder in die Menge ein.
»He, warte mal!«, rief der Redner mir nach. »Schließlich warst du es, der etwas von mir wollte, klar? Um zu mir zu finden, hast du kräftig was auf die Schnauze gekriegt.« Es sprang von seinen Kisten und kam mir nachgelaufen.
»Lassen Sie mich in Ruhe«, fuhr ich ihn an, als er zu mir aufschloss.
»Das könnte dir so passen, Kamerad«, brauste er auf. »Meine Hilfsbereitschaft ausnutzen, um mal schnell einen Chroner um die Ecke zu bringen, sich seine Rebasche unter den Nagel reißen, danke für den
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