Morphogenesis
gezogen, eine Art Kettenhemd, das aus kleinen, rechteckigen Goldplatten bestand. Arm- und Beinschienen schützten die Gliedmaßen vor Schwerthieben. Die königliche Chepresch-Krone war eine haubenartige Kopfbedeckung aus Gold und blau gefärbtem Leder, die den gesamten Hinterkopf einschloss. Der Abschluss des Kronenbauches wurde von einer Art weichem Lappen gebildet, der vorn die Stirn umschloss, durch Rundungen die Ohren einfasste und danach bis in den Nacken verlief. Die Ibis-Maske als Zeichen des Seelengeleiters Dehuti umschloss den Großteil des Kopfes mit ihren goldenen Flügeln und schirmte so den Kopf des Pharao vor Verletzungen ab.
Das Kettenhemd lag tatsächlich nur über dem Harnisch. Als ich jedoch die ersten Schnüre der Lederrüstung löste, begann Byron zu zittern, und seine Haltung veränderte sich.
»Versuchen Sie sich zu entspannen. Wenn ich die Klingen und Widerhaken aus den angespannten Muskeln ziehen muss, ist der Schmerz weitaus größer.«
»Sie stecken in den Knochen«, stöhnte Byron. »In der Wirbelsäule, in den Rippen …«
Ich schluckte und machte mich weiter an der Rüstung zu schaffen. Obwohl ich hin und wieder die Schneide der Rebasche zu Hilfe nahm oder ihre Spitze als Hebel einsetzte, währte Byrons Martyrium Stunden. Er hatte sich geirrt, was die Anzahl der Haken in seinem Körper betraf. Vielleicht war es auch nur Zweckoptimismus gewesen oder seine Art, mich zum Weitermachen zu animieren. Nahezu jedes einzelne Teil der Rüstung war einst von irgendjemandem in seinen Körper verankert worden. Nach dem qualvollen Entfernen des Brust- und Rückenpanzers musste ich feststellen, das auch der Gürtel um den Rock an Byrons Hüfte fixiert worden war. Selbst die goldenen Arm- und Beinschienen besaßen Widerhaken. Was ihn und mich ermutigte, die unmenschliche Tortur zu Ende zu führen, war die Gewissheit, das seine Wunden rasch heilen würden. Als wir endlich fertig waren, fühlte ich mich, als hätte ich Byron bei lebendigem Leib die Haut abgezogen. Es war ein Blutbad.
»Danke«, keuchte der Schwarze, als die letzte Klinge aus seinem Fleisch gezogen war. Er streckte sich auf den Boden aus und stöhnte: »Oh, Scheiße, tut das gut!«
»Wie lange bist du schon in dieser Stadt«, wollte ich wissen.
»Na endlich!« Byron grinste. »Ich dachte schon, du wärst ein hoffnungsloser Fall.«
»Wie lange?«
»Ich weiß es nicht. Viel zu lange jedenfalls.«
Ich untersuchte die einzelnen Teile der Rüstung. »Wer hat dir das angetan?«
»Ist nicht so wichtig.« Byron bewegte seine Beine in der Luft, als fahre er Fahrrad. »War Teil eines Deals.«
»Mit den Chronern?«
»Nein.« Er hielt in seinen Bewegungen inne und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Fragen, Fragen, nichts als Fragen. Bist du ein Spitzel?« Auf mein Kopfschütteln erklärte er: »Ich hatte meine Gründe. Camouflage, verstehst du? Verkleide dich im Wald als Busch, und jeder sieht einen Busch. Verkleide dich in der Hölle als Narr, und alle sehen einen Narren.« Byron erhob sich und ging vorsichtig ein paar Schritte. »Bin gleich wieder da«, sagte er und lief davon. Als er nach einigen Minuten zurückkam, steckten seine Füße in einer Mischung aus Lumpen und zusammengebundenen Lederlappen. Unter dem Arm trug er eine alte Uniform, die er kräftig ausschüttelte, bevor er sie anzog.
»Gut«, entschied er schließlich, »komm jetzt.«
»Und die Rüstung?«
»Jene, die den alten Byron suchen, werden ihn jetzt nicht mehr finden. Ein paar Trümpfe sollte man immer in der Hand behalten, da man in der Hölle ständig Gefahr läuft, Verrückten wie dir zu begegnen.« Er lief zum Hauptgang und wartete dort, bis ich zu ihm aufgeschlossen hatte. »Ich werde allein vorausgehen und die Lage sondieren«, entschied er. »Es mag für manche verdächtig erscheinen, wenn wir zusammen auftauchen. Warte hier und zähl meinetwegen bis einhundert, dann folge mir.«
Byron machte auf seinem Lumpenabsatz kehrt, lief um die Ecke und war verschwunden.
Da mir nichts Vernünftigeres einfiel, zählte ich tatsächlich. Bei einhundert nahm ich die Rebasche auf und schlich der Musik entgegen. Nach kurzer Zeit wandelte der höhlenartige Stollen sich zu einem komfortablen Korridor, der mich in ein mit schwarzem Marmor ausgelegtes Foyer brachte. Ich hatte das Gefühl, aus der Steinzeit heraus in ein futuristisches Nachtlokal zu spazieren. An den Wänden leuchteten gerahmte Hologramme antiker Städte, vor deren Kulissen freizügige Mädchen
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