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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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erwischt. Siehst du den roten Sand in der Mitte des Saals?«
    Ich reckte den Hals und starrte angestrengt zwischen den Anwesenden hindurch. Jetzt erkannte ich, dass der fast vollständig von Tischen und Beinen verdeckte Boden im Zentrum der Taverne dunkler gefärbt war. Es ließ sich kaum als Rot erkennen, da das Kunstlicht der Monitore fast ein Schwarz daraus machte. Man musste schon darauf hingewiesen werden, um es zu bemerken. Zyklopen hatten sich in dem Areal versammelt, leckten den Sand auf oder fraßen kleine, auf dem Boden verteilte Klumpen, die aussahen wie Fleischbrocken …
    Ich schluckte unbehaglich und sah Byron an, der mir noch immer das für mich bestimmte Glas entgegenhielt. »Was fressen sie?«
    »Das, was übrig geblieben ist.«
    »Übrig geblieben wovon?«
    »Übrig geblieben von wem, lautet die korrekte Frage.« Er wandte sich zur Saalmitte. »Jeder hier wartet nur auf den zündenden Funken, auf geistiges Brandgut. Wenn sie merken, dass wir von Medinen befallen sind, dann muss nur einer dieser Bluthunde anfangen zu brüllen, und um uns herum bricht die Hölle los. Trinkjetzt!«, zischte Byron eindringlich. »Und hüte dich, das Gesicht zu verziehen, wenn du es runterschluckst, das könnte für den einen oder anderen hier schon Vorwand genug sein.«
    Ich betrachtete die Flüssigkeit. »Was ist das?«
    »Etwas, das den Prozess in uns rückgängig macht.«
    »Etwas?«
    »Ein bekömmlicher Cocktail aus Nervengiften, verschiedenen Säuren, Pflanzenschutzmitteln, Alkohol und einigen exquisiten Beigaben wie Quecksilber, Phosphor und Strontium 90. Geht sofort ins Blut und schadet nicht dem Magen. Trink!« Das letzte Wort klang wie ein Befehl.
    Byron leerte sein Glas in einem Zug und presste die Lippen aufeinander. Ich sah, wie seine Augen feucht wurden. Dicke Tränen rollten über seine Wangen. »Ah, köstlich«, krächzte er heiser. Nach wenigen Sekunden konnte ich beobachten, wie sich der zarte Gespinstfilm an seinen Händen und Armen auflöste.
    Ich rammte die Rebasche in den Sand, nahm Byron das noch volle Glas ab und hielt es gegen das Licht, um den Inhalt zu studieren. Im selben Moment registrierte ich neben mir eine Bewegung. Bevor ich es verhindern konnte, fiel das Chronerschwert um und traf ein paar Gläser auf einem leeren Tisch. Es klirrte, Scherben stoben funkelnd durch die Luft, dann herrschte wieder Ruhe.
    Mein Begleiter sah entsetzt auf die Rebasche, dann auf mich und schließlich in den Saal. Eine erhebliche Anzahl von Personen hatte sich erbost dem Radau zugewandt, funkelte uns grimmig an und beobachtete zwei Chroner und ein bärtiges Individuum mit tiefen Augenringen, die sich von einem Tisch in der Nähe erhoben und zu uns herüberschlenderten.
    Ich bückte mich und hob verlegen den Zeiger wieder auf.
    »Trink, verdammt noch mal!«, beschwor mich Byron. »Und mach ein freundliches Gesicht! Wenn die Kerle sehen, dass wir infiziert sind, schicken sie uns ins Labyrinth zurück und ketten uns an die Felsen, bis wir vollkommen durchwuchert sind. Oder sie verbannen uns in die Flammengrube.« Byron sah mich durchdringend an. »Ewige Müllverbrennung. Trink!«
    Ich kippte die gelbliche Flüssigkeit in mich hinein. Sie schmeckte wie essigversetzter Pferdeurin, den ein Scherzbold mit Kohlensäure angereichert hatte. Die Tinktur brannte wie Feuer in Kehle und Magen. Meine Augen quollen aus den Höhlen, während mir der Atem wegblieb und Tränen über meine Wangen liefen.
    »Lächeln, mein Freund, lächeln …«, erinnerte mich Byron, den ich nur noch als nebulösen Schemen wahrnahm. Hinter ihm wuchsen zwei massige Schatten empor und überragten die verschwommene Kontur des Schwarzen noch einmal um die Hälfte. Ich biss die Zähne zusammen, zog die Mundwinkel auseinander und grinste den Ankömmlingen in einer Art und Weise entgegen, die wie Körperverletzung wirken musste.
    »Charmant«, murmelte Byron, als er es sah, und drehte sich just in dem Moment zu den drei Gestalten um, als diese uns erreicht hatten.
    »Sag, Byron, dein Freund, was grinst er so dämlich?«, raunzte der Typ mit den Augenringen.
    »Macht er immer, wenn man ihm einen obszönen Witz erzählt«, gab der Schwarze zurück.
    Ich bemühte mich, aufrichtiger zu lachen. Als sich mein Blick klärte, sah ich, dass einer der Chroner seine Waffe überraschend am Tisch zurückgelassen hatte. Sein Intimus trug jedoch einen über drei Meter langen Stunder. Der Fragesteller selbst hatte seine Hände in den Tiefen seines bodenlangen, fast nur

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