Morphogenesis
eine Horde wilder Hunde aufgescheucht, dann hörte ich Lärm, als ob jemand damit begann, sein Mobiliar zu zerlegen. Byron stolperte mit zwei Laternen aus dem Haus und kam eilig herübergelaufen. Er blutete aus mehreren Bisswunden im Gesicht und an den Armen und war für seine Hautfarbe verhältnismäßig bleich.
»Was war das?«, wollte ich wissen.
Byron wischte sich das Blut aus dem Gesicht und überreichte mir eine der Handlaternen. »Ich weiß es nicht, es war zu dunkel.«
»Ein Hund?«
»Nein, ein Mensch …«
»Wo ist die Rebasche?«
»Musste ich zurücklassen, als mich diese Kreatur anfiel. Es ist nicht gut kämpfen mit nur einem Auge.« Er tippte sich gegen die leere Augenhöhle. »Wenigstens haben wir nun Licht.«
Ich begutachtete meine Laterne. Sie bestand aus einem schützenden Gehäuse aus Glas und Gusseisen, in dem sich eine primitive Kerze befand. Ein langer Bügel diente als Handgriff und verhinderte, dass man sich am Gehäuse die Hand versengte.
»Schön, wir haben Lampen, aber womit sollen wir sie anzünden?«, gab ich zu bedenken.
Byron klopfte auf seine Brusttasche. »Keine Sorge«, grinste er.
Der ehemalige Uferweg war knöcheltief mit Schlick bedeckt. Auf unserem Marsch durch den Tunnel liefen wir mehr als einmal Gefahr, auszurutschen und Byrons hart erkämpfte Laternen zu zertrümmern. Nach ein paar hundert Metern stieg der Boden leicht an, und wir erreichten trockenen, staubigen Grund. Der Kanal war an dieser Stelle vielleicht dreißig Meter breit, die Uferwege noch einmal je vier Meter. Da der Tunnel an sich sehr niedrig war und wir am Rand entlangliefen, mussten wir ständig gebückt gehen, was den Schmerz in meiner Lunge weiter förderte. Ich schlug mir den Schädel so oft an der rauen Gewölbedecke an, dass ich nach ein paar hundert Metern das Gefühl hatte, halbseitig skalpiert zu sein.
»Ich glaube, wir sind tief genug«, entschied Byron endlich und ließ sich erschöpft auf den Boden sinken. Ich stolperte neben ihm in den Staub, streckte mich aus und konzentrierte mich auf den hämmernden, pulsierenden Schmerz in Brustkorb und Oberarm. Als ich endlich wieder frei atmen konnte, wich der Schein der Laternen völliger Dunkelheit.
»Ich kenne ein Universum, das Sie durch seine Ungereimtheit ewig belustigen wird«, sprach Astaroth. »Wohin wird Ihre Suche Sie führen?«
»Zur Wahrheit der Dinge«, rief Braugh.
»Die Wahrheit werden Sie nur in der Hölle finden, Mr Braugh.«
»Warum das?«
»Weil Wahrheit immer die Hölle ist.«
Alfred Bester
Die Hölle ist ewig
Vom eigenen Schwung mitgerissen, kippte Ka vornüber und stürzte zu Boden. Der verbliebene Beutel mit Infusionslösung klatschte gegen einen scharfkantigen Felsen und platzte auf. Ehe Ka es schaffte, ihn zu packen und das klaffende Loch mit den Händen zu verschließen, war die türkisfarbene Flüssigkeit bereits herausgeströmt und im Erdboden versickert.
Konsterniert starrte Ka auf den tropfenden Beutel, dann sah er sich um. Die Schwester und der Raum mit den Psychogonen waren verschwunden. Stattdessen umkreiste ihn eine Anzahl schweigender Gestalten. Zuerst erkannte er sie nur als grauschwarze Schatten, dann gewöhnten seine Augen sich langsam an die Helligkeit. Die Fremden waren mit Streitlanzen bewaffnet und trugen die Reste von Gewändern; zerschlissene Fetzen, über und über bedeckt mit dunklen Flecken. Was nicht von Stoff verhüllt wurde, war ausnahmslos metallisch: mit Edelrost beschlagene Arme und Beine, von Säure zerfressene Gesichter und Gelenke, patinierte Thoraxe und mit Span verkrustete Metallrippen aus stahlblauer Legierung. Nur an wenigen Stellen spannten sich noch schrumpelige Reste synthetischer Haut über die Skelette …
Eine der Maschinen trug wie Schwester 26 ein Klemmbrett mit Schriftstücken. Sie trat hervor, hob den Infusionsständer auf, zog Ka unsanft die Kanüle aus dem Unterarm und schleuderte das Gestell davon.
»Ihnen bleibt nicht viel Zeit«, erklang es durch ihren geschlossenen Mund. »Wissen Sie, wo Sie sich befinden?«
Ka massierte seinen schmerzenden Arm. »Nein.«
»Dies ist der Quellraum.«
Der Lautsprecher musste sich irgendwo in der Mundhöhle befinden, doch Kas Gegenüber gab sich keine Mühe, die Kiefer zu bewegen. Wahrscheinlich war dies in Anbetracht seines Zustandes auch gar nicht mehr möglich. Dennoch klang die Stimme entfernt menschlich.
Ka ließ seinen Blick schweifen. Nirgendwo war eine Begrenzung zu sehen, geschweige denn
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