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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ist das für ein Gebäude?«
    »Das Ministerium für Endgültigkeit.« Phalet blickte Ka aus pupillenlosen Augen an. »Es existiert ewig. Kommen Sie, ich bringe Sie zum Ursprung.«
     
    Zielsicher schleuste Phalet Ka durch das Gebäude in eine kreisrunde Halle. In ihrer Mitte sprudelte ein niedriger Brunnen, die Quelle eines flachen Bachlaufes, der durch einen mannsbreiten Spalt in der Hallenwand ins Freie führte. Jedenfalls sah der Schimmer, der durch die Kluft drang, wie Tageslicht aus. Ka versuchte jenseits der Spalte etwas zu erkennen, doch das Licht war zu grell. Die Wände der Halle schienen wie die Bewohner des Gebäudes aus Metall zu bestehen, ebenso seine kuppelförmige Decke. Ka lief bis vor die leuchtende Passage und blinzelte angestrengt ins Licht.
    »Führt der Spalt hinaus in den Garten?«, wollte er wissen.
    »Sofern der Garten noch existiert, ja.«
    »Werden Sie mich begleiten?«
    »Das darf ich nicht«, erklärte Phalet. »Wir sind die Beschützer dieser Ebene. Hier, nehmen Sie das.« Er zog die Schriftstücke vom Klemmbrett und reichte sie Ka. »Es sichert Ihnen im Zweifelsfall Geleit zu.«
    »Im Zweifelsfall?«
    »Es ist auch den Menschen untersagt, den Garten zu betreten. Darüber wachen die Erzenen.«
    Ka überflog die Akte, konnte die eigenartigen, in Dreierblöcken angeordneten Hieroglyphenkolonnen jedoch nicht entziffern. »Was ist mit meiner Krankheit?«, fiel ihm ein. »Die Infusionen?«
    »Sobald Sie Ihre Maschine verlassen haben, bleiben Ihnen exakt drei irdische Tage, um in den Quellraum zurückzukehren«, erklärte Phalet. »Der Verfall schreitet in dieser Zeit ungehindert voran. Sie werden Schmerzen erleiden.«
    »Und Schwester 26?«
    »Man wird selbstverständlich damit beginnen, Sie zu suchen. Sie sollten sich der Konsequenzen bewusst sein. Wollen Sie noch immer vor jenen treten, den seit Jahrtausenden niemand mehr erblickt hat? Dann gehen Sie jetzt durch den Spalt.«
    Sorgsam faltete Ka die Schriftstücke zusammen und verstaute sie in seiner Kleidung. Er warf einen letzten Blick auf die schweigende Maschine, dann hielt er den Atem an und schritt in das Licht.

 

     
     
    Ich konnte nicht lange geschlafen haben, denn mein Körper schmerzte noch immer. In der Dunkelheit hörte ich Byrons Stimme. Sie klang unterdrückt, als murmelte er leise Beschwörungen. Er sprach in Kobe, wobei die Art seiner Aussprache einzigartig war und eine sonderbare Phonetik besaß. Seine Worte klangen weniger hart und rau als das Kobe, das ich bisher in der Stadt gehört hatte, sondern weich und ineinander fließend. Zugleich wirkten die Sätze verdreht, wie mittelalterliche Sprache im Vergleich zu moderner.
    »Es ist ein Gebet, nicht wahr?«, fragte ich in die Dunkelheit.
    Byron verstummte abrupt und schwieg eine Weile, als sei es ihm peinlich, gehört worden zu sein. »Nein«, erklärte er dann auf Englisch. »Eine Art … Mantra. Ein Dasabee. Hast du seinen Sinn verstanden?«
    »Nur Bruchstücke …«
    »Es ist ein Schwur«, erklärte der Schwarze. »So alt wie die Stadt selbst.«
    »Zu welchem Zweck?«
    »Gegen etwas, das unerreichbar fern geworden ist …« Byron verfiel in tiefes Schweigen, als bete er sein Mantra in Gedanken zu Ende.
    »Wie weit führt der Tunnel?«, unterbrach ich die Stille.
    »Fast bis zum Limbus. Am anderen Ende liegt ein großer See, der von undurchdringlichem Wald umgeben ist.« Er schwieg wieder, dann entzündete er seine Laterne, stellte sie zwischen uns und fragte: »Welches Datum schrieb man, als du hierher kamst?«
    Ich überlegte. »Den 22. März 2005.«
    Byron schnaubte durch die Nase. »Wie doch die Zeit vergeht …«
    Ich spürte, wie meine Knochen langsam wieder zusammenwuchsen, das Muskelgewebe und die Lunge verheilten und mir das Atmen von Mal zu Mal leichter fiel. »Ich heile«, sagte ich verklärt. »Ich kann es fühlen.«
    »Natürlich.«
    »Was ist das für eine wahnsinnig gewordene Welt, in der ein Mensch nicht sterben kann?«
    Byron lachte leise. »Als ich hierher kam, glaubte ich zuerst, ich sei in irgend so einem riesigen Ding aus dem Weltraum. Lag wohl auch daran, dass wir damals von dieser unglaublichen UFO-Hysterie angesteckt worden waren.«
    »Damals? Wann war damals?«
    »1956, nachdem die Russen ihren Sputnik gestartet hatten. Im Oktober, kurz nach dem Satellitenstart, wurden der Armee mehr als zwanzig fliegende Untertassen gemeldet, und im November waren es sogar über einhundert. Es war eine Hysterie, die offenbar die ganze Welt ergriff. Invasionen

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