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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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unvorstellbares Chaos. Durch die Wucht des Absturzes und die nachfolgenden Explosionen zerbarst das Schiff in mehrere Teile. Qualmend wie entflammte Ölpipelines brannten die Bruchstücke aus.
    Ka war so gefesselt von dem Anblick, dass er die Gestalt erst wahrnahm, als sie ihn an der Schulter berührte. Instinktiv schlug er ihr den Ellbogen ins Gesicht, worauf ein erstickter Laut ertönte. Einen Augenblick später lag der Fremde auf dem Boden und hustete in den Staub. Soweit Ka es auf den ersten Blick feststellen konnte, trug sein Gegner – ein bärtiger Mann mit schulterlangem schlohweißem Haar – keine Waffen. Er brauchte nur sein Knie in das Kreuz des Fremden zu stemmen, und dieser war am Boden festgenagelt.
    »Wartet!«, keuchte der Bärtige atemlos. »Ich tue Euch nichts!«
    Ka zuckte beim Klang der hastig ausgestoßenen Worte zusammen, denn der Stimme des Fremden fehlte jeglicher metallische Widerhall. Einen Augenblick lang wusste Ka nicht, wie er reagieren sollte, dann drehte er den Mann auf den Rücken; allerdings mit der ihm nötig erscheinenden Vorsichtsmaßnahme, ihm die Spitze eines zersplitterten Knochens an die Kehle zu drücken.
    Der Fremde war alt, relativ hochgewachsen und für eine Maschine viel zu schmächtig. Seine Haare und sein Vollbart waren verdreckt, seine Haut – ganz im Kontrast zur lederartigen Kunsthaut der Erzenen – hell und faltig. Unter seinen breiten Augenwülsten funkelten hellwache Augen, die flink umherhuschten. Eine feine Narbe zog sich von der Stirn des Mannes hinab bis zum Wangenknochen. Gekleidet war er in einen ehemals sandfarbenen, robenähnlichen Mantel, der zwar kaum Anzeichen von Verschleiß erkennen ließ, dafür aber mit allerlei getrockneten Substanzen verkrustet war und erbärmlich stank. Alles am Äußeren des Fremden stand in krassem Gegensatz zu dem Aussehen der Maschinen, die diese Knochenwüste bewohnten.
    Der Mann blinzelte, dann starrte er Ka verdutzt an und fragte: »Wie kommt Ihr denn hierher?« Erst jetzt schien ihm Kas entstelltes Gesicht und seine riesige Kopfwunde aufzufallen. »Und was in Gottes Namen ist Euch widerfahren?«, stöhnte er. »Warum heilt Ihr nicht?«
    »Ich – habe keine Infusionen mehr.«
    »Was?« Der Mann wirkte schockiert. »Euer Körper regeneriert sich nicht mehr von allein?« Er hob eine Hand und fuhr sich prüfend über das Gesicht.
    »Wovon reden Sie?«, fragte Ka.
    »Nun, ich dachte …« Der Fremde entspannte sich, spuckte Staub aus und starrte Ka aus seiner misslichen Position herauf an. »Sagt, wo gibt es diese Infusionen, die Euch heilen?«
    »Im Sanatorium.« Ka betastete seine Kopfwunde, dann deutete er flussaufwärts. »Es liegt in dieser Richtung, ein paar Tagesmärsche entfernt.«
    »Ah, ich verstehe. Ich glaube, ich verstehe …« Der Mann verdrehte die Augen und starrte auf die gepfählten Skelette. »Dann sind wir hier im Elysium, nicht wahr?«
    »Was meinen Sie?«
    »Na, Eden! Die zweite Ebene! Die Gefilde der Seligen!«
    Ka runzelte die Stirn. »Nun, zumindest, was von ihnen übrig ist«, nickte er.
    Der Bärtige ließ sich in den Staub zurücksinken. Sein anfangs verhaltenes Kichern steigerte sich zu einem schallenden Lachen. Er bäumte sich auf und schrie: »Ein Bürger des Himmels! Hannache-ho! Hannache-ho! Das ist das Paradies!«
    »Woher kommen Sie«, fragte Ka, nachdem der Fremde sich wieder beruhigt hatte.
    »Aus der Stadt …« Er deutete in den Nebel flussabwärts. »Ich, ähm – bin gewissermaßen vom Himmel gefallen.« Der Mann grinste, und Ka sah Blut auf seinen Zähnen schimmern. »Oder besser gesagt: in den Himmel. Verzeiht, aber ich bin ein wenig durcheinander.« Er verdrehte die Augen in Richtung des verglühenden Wracks.
    »Sie sind aus dem Schiff gesprungen?«
    »In der Tat. Hat mir das Leben gerettet …«
    Ka beobachtete, wie der Fremde erneut in Gelächter ausbrach. An dem Mann, der offenbar zu hart auf den Kopf gefallen war, vermisste er jenen beißenden Metallgestank, der den verrotteten Maschinen um Ur-El anhaftete. Hatte er tatsächlich einen lebenden Menschen vor sich? Falls ja, was trieb er dann hier in den Feldern? Und von welcher Stadt sprach er?
    »Was ist das doch für ein seliger Ort …«, keuchte der Bärtige mit Tränen in den Augen.
    »Warum haben Sie sich angeschlichen?«
    »Oh, das habe ich nicht. Ihr wart nur unaufmerksam. Ihr habt jedoch nichts vor mir zu befürchten.«
    Ka richtete sich langsam auf. Eine Weile hielt er die Knochenspitze noch auf den Mann gerichtet,

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