Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
allem nachzueifern, mit dem es physisch und psychisch in Berührung kam: uns, unseren Maschinen, der Fauna und Flora – und der Kultur und ihren religiösen Ausgeburten.«
    »Die Invasion der Kemahor«, folgerte ich.
    »Die Kemahor waren nur eine Kreation von vielen«, sagte Thot. »Denke an die Bene Elohim, die Annunaki, die Zentauren oder die Sphingen. Oder an die Agarepth wie unsere Freundin Meret … Das Paseth übernahm das Denken der Menschen, doch es wusste nicht zu unterscheiden, was real war und was nicht. Es hielt Glaube für Wissen. Furcht für Sehnsucht. Schmerz für Lust. Den Tod für das Leben. Das vereinte Grauen aus Hoffnungen und Ängsten der Kulturvölker begann in der Sphäre zu wuchern wie Unkraut in einem Garten, der nicht mehr gepflegt wurde. Nach ein paar hundert Jahren wimmelte es in der Kultur vor unbesiegbaren mythologischen Kreaturen, die Angst und Schrecken verbreiteten. Das mutierte Paseth ließ die Todesängste der Menschen Gestalt und Form annehmen – bis heute. Vor dem Unfall gab es keine Hölle. Nun existieren alle Höllen der Kultur in den Grenzen einer einzigen.«
    »Mit dir als Fürst.«
    »Fürst?« Thot lachte schallend und bitter. »Gefangener, Hippolyt. Ich war der Einzige von uns, der übrig geblieben war, und schaffte es, mich vor dem Schwarm hierher in Sicherheit zu bringen, in dieses einsame Schiff, unfähig zu handeln und das Protektorat zu verwalten. Jene Paseth- Kolosse, denen du vor dem Eingangstor begegnet bist, wachen seit über dreitausend Jahren darüber, dass ich es niemals wieder leibhaftig verlasse.«
    »Dann bist du für dein Schicksal selbst verantwortlich.«
    »Nein!« Das Schlangenwesen glitt unversehens auf mich zu. »Zweitausend Jahre lang versuchten andere von uns, das Paseth innerhalb des Protektorats in Schach zu halten und zu verhindern, dass es die Grenzen der Sphäre überwand. Dann taten sie das Einzige, was ihnen noch übrig blieb: Sie sonderten die Sphäre aus, in eine künstlich geschaffene Raumzeit-Blase, kaum größer als eure Sonne. Ein winziges Paralleluniversum, aus dem es niemals ein physisches Entkommen geben sollte.«
    »Es existiert kein weiterer Himmelkörper in ihr?«
    »Einzig Sarara«, bestätigte Thot. »Die abrupte Trennung der Sphäre von eurer Welt führte jedoch zu einer geringfügigen Verschiebung der Erdachse. Es waren kaum mehr als zwei Grad, doch sie reichten aus, um alles zu verändern. Während Gletscher und Polkappen schmolzen und die Meere ansteigen ließen, erlebten andere Gebiete Dürrekatastrophen. Jene Wüste, die du Sahara nennst, wuchs innerhalb weniger Jahrzehnte um ein Drittel ihrer ursprünglichen Größe an. Gleichzeitig suchten Vulkanausbrüche, Erdbeben und nie erlebte Flutkatastrophen das einstige Protektorat heim. Es begannen Kriege und Völkerwanderungen. Erst zweihundert Jahre später hatte der Planet sich wieder unter vereinten Kräften beruhigt.«
    »Also gibt es die Architekten noch …«
    »Solange es den Plan gibt, wird es auch uns geben«, bestätigte Thot. »Aber verrate mir nun, weshalb bist du zu mir gekommen? Warum stehst du hier in meinen Palast mit einem goldenen Namen?«
    Ich warf einen flüchtigen Blick über die Schulter. Das Tor stand noch offen.
    »Du besitzt etwas, das mir gehört.«
    »So? Ist das wieder eine dogmatische Anwandlung?«
    »Es ist mein Leben!«
    »Glaubst du denn wirklich, du hättest das Privileg, frei zu sein?« Thot zauberte das Hexonnox aus seinem Gewand und hielt es in die Höhe, als prüfe er die Reinheit eines Kristalls im Licht. »Ich bin nur ein Sammler, Hippolyt, kein Jäger. Der Schöpfungsplan gebietet vor dem Tod, ich danach.«
    »Wenn Hass feige wird, begibt er sich maskiert in Gesellschaft und nennt sich Gerechtigkeit«, brauste ich auf.
    »Gut gebrüllt, Löwe. Aber bildest du dir wirklich ein, du lebtest dein eigenes Leben? Ihr Menschen besitzt kein eigenes Leben.« Fast andächtig ließ er seine Schlangenfinger über den Steinwürfel gleiten. »In diesem Hexonnox befindet sich die Quintessenz deiner Seele, Hippolyt. Vor wie nach deinem Tod bist du sowohl Gefangener als auch Opfer.«
    Ich starrte wie hypnotisiert auf den schwarzen Würfel. In mir schrie Giza, das Hexonnox aus Thots Schlangenhänden zu reißen und zu rennen, zu rennen und …
    Und? Wohin?
    Ich tat einen Schritt nach vorn und streckte meine Hand nach dem Würfel aus. Thot hob ihn amüsiert ein Stück an, worauf ich lediglich das Gewand der Kreatur streifte. Meine Finger fuhren durch es

Weitere Kostenlose Bücher