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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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alle Trümpfe in der Hand, sondern dummerweise auch deinen zerbrechlichen Leib!
    »Du willst zum Former.« Hath strich mit einem feinen Metalltentakel fast zärtlich über mein Gesicht. »Glaubst du, gegenüber ihm bestehen zu können? Ist es denn so schwer, die Wahrheit zu ertragen?« Er setzte mich wieder auf den Boden zurück und erhob sich. »Geh, Kematef. Die Duat ist das Haus, in dem du für das Leben lernst! Geh!«
    Ich stolperte rückwärts, dann wirbelte ich herum und rannte zwischen den letzten beiden Kolossen hindurch, bis meine Lungen brannten und ich mich kurz vor den Toren der Pyramide befand. Die Maschinengötter machten keine Anstalten, mir zu folgen. Sie sahen mir nur schweigend hinterher, um kurze Zeit später ihren Instrumenten wieder diese wundersamen, verzaubernden Melodien zu entlocken. Während ich in gemäßigtem Tempo die letzten Meter bis zu dem geschlossenen Doppeltor zurücklegte, überlegte ich, welchen Zweck die Klänge wohl erfüllen sollten …
     
    Wie von Geisterhand bewegt öffneten sich die Torflügel vor mir zu einem mächtigen dreieckigen Durchlass, hinter dem absolute Finsternis herrschte. Unbeschreiblich kalte Luft wehte mir aus dem Inneren entgegen. Als ich das Gebäude betrat, hatte ich das Gefühl, über einen See aus gefrorenem Stickstoff zu laufen. Mir kam es vor, als verdichte die Pyramide alle Kälte dieser Welt; als wäre sie einzig und allein zu diesem Zweck errichtet worden.
    Vielleicht ist es nur ein Kühlhaus, bemerkte Giza. Dazu geschaffen, das, was es beherbergt, über Jahrtausende hinweg zu konservieren …
    Ich versuchte angestrengt, mich in der Finsternis zu orientieren. »Wo bist du?«, rief ich, in der Gewissheit, das mich irgendwo jemand – etwas – beobachtete. »Willst du mich denn nicht willkommen heißen?« Meine Zähne klapperten beim Sprechen.
    »Ich bin, wo ich bin«, antwortete eine tiefe, weinerliche Stimme, die aus der Dunkelheit selbst zu dringen schien. »Komm näher.«
    Ich fluchte leise und lief ziellos in die Schwärze, wobei ich mich vergewisserte, dass das offene Tor in meinem Rücken lag. Irgendwo vor mir bewegte sich etwas, glühte unmerklich aus sich selbst heraus wie ein Mensch, der schwach fluoreszierende Kleidung trug. Ich kniff die Augen zusammen, bohrte meinen Blick durch die Dunkelheit. Die Gestalt war zu weit entfernt und zu verschwommen. Ich konnte nicht sagen, ob es eine Frau oder ein Mann war, der dort stand – oder schwebte. Ich konnte nicht einmal feststellen, ob es überhaupt ein Lebewesen war. Vorsichtig ging ich auf das lumineszierende Etwas zu, bis ich mich ihm so weit genähert hatte, dass ich es erkennen konnte.
    »Nur keine falsche Bescheidenheit«, sagte die Erscheinung. »Komm ruhig näher.« Jedes ihrer Worte schien die Finsternis zu verdichten und bedrückender zu machen. Das Wesen war doppelt so groß wie ein Mensch, ganz und gar in Tücher gehüllt und der Stimme nach männlich. Sein Kopf glich dem einer Kobra, und dort, wo eigentlich die Hände aus der Kleidung hätten herausragen müssen, ringelten sich Dutzende von Schlangen. Ein weiterer Agarepth?
    Während ich langsam auf ihn zuging, überlegte ich, wo ich ein derartiges Geschöpf schon einmal gesehen hatte. Auf Papyri oder antiken Basreliefs? Als Skulptur in irgendeinem Museum? Als ich meine Nähe zu dem Wesen für ausreichend befand, blieb ich stehen und studierte fasziniert zwei Serafen; geflügelte Schlangen, die rechts und links neben seinem Haupt in der Luft flatterten und mich aus schwarzen Nadelaugen fixierten.
    »Hallo, Byron«, fand ich meine Stimme wieder. »Oder soll ich dich Thot nennen?«
    »Nenne mich, wie es dir beliebt. Jedes Volk besitzt einen anderen Namen für mich. Die Kultur nannte mich Dehuti. Die Araber fanden Abu Hol angemessen …«
    »Ich hätte dich bereits auf der Temperstraße erkennen müssen«, sagte ich. »An deiner Ibis-Maske. Aber es war wohl noch zu früh für derartige Erkenntnisse.«
    »Vielleicht machte dich Merets Aphoes auch nur blind dafür, Hippolyt.«
    »Du bist es, den die Kemahor auf der Siegelplatte ihres Tempels dargestellt hatten, habe ich Recht?« Meine Stimme klang, als wäre ich selbst eine seelenlose Maschine. »In der sechsseitigen Pyramide am Djebel Uweinat, zusammen mit dem Behälter, den wir die Truhe der Pandora nennen.«
    »Zu Beginn besaßen sie noch Respekt vor ihrem Schöpfer und der Wiege ihrer Existenz«, bestätigte Thot. »Und sie bezeigten ihn mit Stolz.«
    Fasziniert studierte ich den

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