Morphogenesis
Casinobeleuchtung und die automatischen Kameras, die zwischen den Lampen verteilt waren. Sahia drückte zweimal kurz meine Hand, als das Klackern der Kugel erstarb. Ich schielte in den Kessel.
»Zéro!«, verkündete der Croupier. »Jetons en prison!«
Entsetztes Stöhnen machte die Runde, hier und dort erklang vergnügtes oder hysterisches Gelächter. Hervorragend, meine ersten einhundertfünfzig Dollar gingen an die Bank. Mit versteinertem Gesicht fischte der Croupier die Kugel wieder aus dem Kessel. Zwar ließ der Hund sich äußerlich nichts anmerken, aber das schadenfrohe, gierige Glitzern in seinen Augen sprach für sich. Wahrscheinlich bekam er von der Hotelleitung pro Bankrunde eine Extraprovision. Ich warf einen verärgerten Blick auf Sahia, die mich verzeihungsheischend ansah.
»Das war wohl nichts«, bemerkte ich.
Sie zuckte die Schultern und lehnte sich an mich. »Das Glück vor der Not ist ein verführender Teufel, das Glück nach der Not ein tröstender Engel.«
»So, so.« Ich begann zu schwitzen. Falls meine Begleiterin ihren Sinnspruch auf uns bezog, dann waren eintausend Dollar ein reichlich dicker Batzen für ein Schäferstündchen. Mein Blick wanderte über die Setzfelder. Wenn ich nur nicht so betrunken und zu begierig darauf gewesen wäre, mit Sahia etwas ganz anderes zu spielen als Roulette, um noch genug Gefühl für das Risiko übrig zu haben …
Ich nahm einen zweihundert Dollar-Jeton, ließ die Hand bedeutungsvoll über dem Tableau kreisen und setzte ihn schließlich a cheval.
»Das wollen Sie wirklich riskieren?«, staunte Sahia.
»Ja.« Ich grinste schief. »Wenn ich gewinne, erfüllen Sie mir einen Wunsch!«
Die junge Frau hob den Kopf und sog scharf die Luft ein. Dann ergriff sie den Rest der Spielchips und schob ihn auf quinze noir. »Fünfzehn ist die Zahl des Teufels«, raunte sie mir zu. Meine Augen mussten so groß wie Billardkugeln geworden sein, aber Sahia lächelte nur und umarmte mich mit einer derartigen Raffinesse, dass ich unter keinen Umständen mehr an die gesetzten Jetons herankam. »In Ordnung, Mister Krispin«, hauchte sie mir ins Ohr. »Und wenn ich gewinne, ist es an Ihnen, mir einen Wunsch zu erfüllen!«
»Und – falls keiner von uns beiden gewinnt?«, stotterte ich heiser.
»Dann werden wir wohl einen Kompromiss schließen müssen.« Sie sah mich an. »Das bisschen Plastik sollte ich Ihnen doch wert sein, oder etwa nicht?«
Du liebe Güte. Meine Kehle war staubtrocken, und ich musste mich beherrschen, ihren zierlichen, an mich geschmiegten Körper lediglich zu halten, während sie ihre Zunge über mein Ohr gleiten ließ.
»Versprochen?«, flüsterte sie.
»Versprochen!«
»Rien ne va plus!«, bestimmte der Croupier.
Dieser unbeschreibliche Duft, dieses betörende Parfum … Ich hörte das Rollen der Kugel, das aufgeregte Atmen der Spieler (oder war es mein eigenes?) und Sahias pochendes Herz. Sie presste ihre Brüste und ihre Hüfte etwas zu dicht an mich, als dass ich noch einen klaren Gedanken hätte fassen können. Dieser Duft schien ihrem gesamten Körper zu entströmen und sich wie unsichtbare Tentakel um uns zu schlingen, als wäre er ein eigenständiges Wesen, das Sahia durch ihre Poren verließ. Das Geräusch der fallenden Kugel erstarb erneut, gebanntes Schweigen umgab den Tisch. Lediglich Sahias betörender Duft hielt uns umschlossen wie zwei Insekten in Bernstein. Vielleicht war es doch etwas zu viel Shisha gewesen, und zu viel des schweren Weins. Ob ich die Augen geschlossen hielt oder sie mühsam öffnete, meine Umgebung bestand nur noch aus einem irisierenden goldenen Schleier, einer alles einnehmenden Aura, die sich in meinen Armen zu Sahia verdichtete.
»Quinze, noir!«, rief der Croupier. »Pair, passe!«
Ich zuckte zusammen, der goldene Schein, der uns umgab, schien zu implodieren. Sahia schwieg, aber ich spürte ihre zu einem Lächeln geteilten Lippen an meinem Hals.
»Anerkennung, Mister Krispin«, hauchte sie. »Sie haben soeben 22.750 Dollar gewonnen – und einen Wunsch verloren.«
Ich starrte völlig entgeistert in die Runde. Die meisten Blicke der umstehenden Personen ruhten neidisch oder verärgert auf mir, einige der Glücksritter bemühten sich, gelassen zu bleiben, und zwei Spieler verließen apathisch den Tisch. Die Augen des Croupiers versprühten giftige Blitze, doch sein Gesicht blieb versteinert wie zuvor. Er schob einen Berg aus Spielmarken zu mir an den Tischrand, zog den Scheffel blitzschnell wieder weg und
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