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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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machen. »Tut mir Leid«, gestand ich schließlich. »Ohrfeigen Sie mich dafür, aber ich habe dieses wundervolle Gesicht tatsächlich wieder vergessen.«
    Sahia hob die Augenbrauen. »Vielleicht haben Sie es auch einfach nicht erkannt.« Sie hakte sich bei mir ein. »Aber ich gebe Ihnen eine zweite Chance …«
    »Ist Einheimischen der Zutritt nicht untersagt?«, wunderte ich mich, als Sahia unsere Schritte ins Casino lenkte.
    »Das ist wahr, Hasard ist verboten.« Sie verzog ihre Lippen zu einem leicht anzüglichen Lächeln. »Aber ich spiele ja nicht mit dem Glück. Kommen Sie, erlauben Sie mir, zur Stabilität Ihrer Lage beizutragen, sonst wirft man Sie wieder hinaus, ehe Sie einen einzigen Jeton gesetzt haben.«
    Sahias Auftauchen im Casino sorgte seltsamerweise für weniger Aufhebens, als ich befürchtet hatte. Weder Angestellte noch Gäste schienen sich für die junge Frau zu interessieren. Es wirkte fast, als nehme man sie gar nicht wahr. In ihrem Schlepptau hängend, beobachtete ich fasziniert, wie sie mit schlangenhafter Anmut den Menschen auswich. Alle verdrießlichen Blicke und Bemerkungen richteten sich einzig und allein gegen meine Person, wohingegen Sahia nur amüsiert über ihre Schulter sah und es selbst dabei noch schaffte, den Besuchern mit schlafwandlerischer Sicherheit auszuweichen. Sah es dennoch so aus, als stieße sie mit jemandem zusammen, schien es derjenige überhaupt nicht wahrzunehmen oder ignorierte das Missgeschick taktvoll. Ich hatte das Gefühl, einem anmutigen Geist zu folgen. Nach kurzem Suchen eroberten wir einen Platz an einem der großen Roulette-Tische.
    Sahia erzählte, dass sie Journalistin sei und für die Al-Gumhuria, eine der großen Kairoer Tageszeitungen arbeite. Sie habe die Universität besucht, was ihr nahezu akzentfreies Englisch erklärte, und wohne in der eleganten Vorstadt Heliopolis. »Ein Presseausweis ist eine der begehrtesten Eintrittskarten in die Domänen der Saudis, Scheichs und Touristen«, erklärte sie stolz. »In dieser Stadt kann eine Frau sehr leicht ihren guten Ruf verlieren, besonders, wenn sie für die Öffentlichkeit tätig ist. Ägypten ist ein altmodisches Land geblieben. Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Krispin. Hippolyt Krispin.«
    Sahia begann wieder zu lachen. »Welch ein komischer Name. Was bedeutet er?«
    »Wortwörtlich? Ich glaube so viel wie ›der, der die Pferde ausspannt‹«, erklärte ich. »Also ›Streitschlichter‹, oder etwas in der Art.«
    »Woher kommen Sie?«
    »Aus Alexandria.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Alexandria in Schottland.«
    Die junge Frau sah ein wenig ratlos drein. »Eine Stadt in einer Stadt?«, fragte sie, als ich keine Erklärung abgab.
    »Nein, eine Stadt in einem Land.« Sahias Augenbrauen wanderten leicht in die Höhe. »Am Loch Lomond«, erklärte ich. Und dann, als immer noch kein Zeichen von Verständnis in ihren Augen schimmerte: »Großbritannien.«
    »Oh«, machte Sahia und nickte ruckartig. Ihre Augen jedoch verrieten, dass sie immer noch nicht wusste, wovon ich sprach. Als sie den nachdenklichen Blick bemerkte, mit dem ich sie anstarrte, wandte sie sich rasch ab und sah auf den Spieltisch. Sollte ich mich vielleicht nach dem Namen der Universität erkundigen, an der sie studiert hatte?
    »Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass Sie noch nie …«
    Sahia legte mir zwei Finger auf die Lippen. »Schhh!«, machte sie und lächelte entwaffnend. »Geben Sie Ihre Annoncen.«
    »Bitte?«
    »Setzen Sie!«
    »Eigentlich hatte ich gar nicht …« Ich biss mir auf die Lippen, sagte stattdessen: »Ich habe noch gar nichts gekauft.«
    Ein paar Minuten später lag vor mir ein Stapel Jetons im Wert von eintausend Dollar.
    »Faitez votre jeux!«, rief der ägyptische Croupier und drehte den Roulettekessel. Alle Blicke hingen gebannt an seinen Fingern, die die Elfenbeinkugel hineinschnippten. Ich starrte planlos auf das Tableau.
    »Na los, machen Sie schon«, drängte Sahia.
    Ich beschloss, die Sache vorsichtig anzugehen, und setzte fünfzig Dollar auf rouge. Meine Begleiterin zog eine unzufriedene Schnute, griff sich weitere einhundert Dollar und platzierte sie rasch auf ein carré. Ich sah sie strafend an. Dreistes kleines Luder! Doch ich schwieg, was Sahia ein aufreizendes Lächeln entlockte.
    Nachdem die Kugel dreimal durch den Kessel rotiert war, rief der Croupier sein unheilvolles: »Rien ne va plus!« Ich versuchte, das Geräusch der fallenden Murmel zu ignorieren und betrachtete die prunkvolle

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