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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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rief etwas missgestimmt: »Faitez votre jeux!«
    Sahia ließ von mir ab, hielt ihren Rock an der Tischkante auf und schaufelte die Jetons hinein wie Sterntaler, vergaß jedoch nicht, dem Croupier einen angemessenen Obolus zuzuschieben. »Kommen Sie, Mister Krispin«, sagte sie spitz, machte auf dem Absatz kehrt und lief zum Bankschalter. Ich war zu perplex, um die Fassung zu bewahren, und stakste wie ein Roboter hinter ihr her.
    Du hast fast 23.000 Dollar gewonnen!, salbaderte eine Stimme hinter meiner Stirn. Nein, berichtigte mich Giza, du hast zweihundert Dollar verloren! Deine Begleiterin hat gewonnen; 22.750 Dollar – und weitaus mehr. An der Bank angekommen, ließ Sahia die Spielmarken über die Theke fluten. Zehn Minuten später unterschrieb ich eine Quittung für einen Scheck über die Gewinnsumme, faltete ihn wie in Trance zusammen und verstaute ihn in meiner Brieftasche.
    Sahia hakte sich mit einem selbstgefälligen Lächeln wieder bei mir ein. »Wie geht es Ihnen?«
    »Gut … gut«, plapperte ich. »Ich glaube, ich brauche jetzt ein wenig frische Luft.«
    »Denken Sie auch an Ihr Versprechen?«
    »Pausenlos.«
    »Dann lassen Sie uns ein wenig spazieren gehen, Mister Krispin. Heute ist ein ganz besonderer Tag; und auch ein einzigartiger für Sie.«
    »Ja«, pflichtete ich ihr mit belegter Stimme bei. »Das Gefühl habe ich seit einer Viertelstunde auch.«
    Die junge Frau lenkte unsere Schritte zum Ausgang. »Wir haben Equinox.«
    »Ich weiß.«
    »Wissen Sie auch, dass nach dem alten Kalender ein ganz besonderes Equinox gefeiert wird?«
    »Es gibt viele alte Kalender …«
    »Heute ist Aphonnon, die Nacht der Übereinkunft.«
    »Das ultraae quinotaleis?« Ich sah meine Begleiterin zweifelnd an. »Dieses Fest wird seit über dreitausend Jahren nicht mehr begangen.«
    »Ich sagte doch, es sei ein alter Kalender …«, lächelte Sahia delphisch.
    Als der Pförtner uns kommen sah, lächelte er verhalten und öffnete uns die mächtige Glastür. »Sie gehen noch ein wenig spazieren, Mister Krispin?«, fragte er.
    »Wir«, korrigierte ich ihn schroff. Der Livrierte holte Luft, um etwas Freundliches zu erwidern, machte jedoch nur ein entgeistertes Gesicht und suchte das Foyer hinter mir mit Blicken ab. »Meine Begleiterin und ich«, erklärte ich übertrieben deutlich, um ihm auf die Sprünge zu helfen.
    Der Pförtner kniff die Augen leicht zusammen.
    »Er kann mich nicht sehen«, raunte mir Sahia ins Ohr und löste sich von meinem Arm.
    Ich schaute ihr verständnislos nach, dann tauschte ich einen Blick mit dem Livrierten, der weiterhin die Tür offen hielt und ebenso ratlos mich anstarrte. Ich hob eine Hand und bewegte sie vor seinen Augen prüfend hin und her, worauf sich eine Unmutsfalte auf seiner Stirn bildete.
    »Ist alles in Ordnung, Mister Krispin?«, erkundigte er sich höflich.
    Sahia war kichernd an ihm vorbeigeschwebt. »Komm!«, forderte sie mich zwischen den Türflügeln stehend auf. Und als ich nicht reagierte: »Na komm schon, und mach nicht so ein verdutztes Gesicht!«
    Die Hand noch immer erhoben, lief ich seitlich durch die Tür, ohne den Pförtner aus den Augen zu lassen.
    »Mister Krispin …?«, rief dieser mir nach, nachdem ich Sahia hinaus ins Freie gefolgt war.
    »Schon gut«, sagte ich, ohne mich umzudrehen. »Alles in Ordnung. Ich komme bald zurück …«
     
    Neben dem Hotel befand sich ein bescheidener Park. Eigentlich war es nur ein sanfter, künstlich aufgeschütteter Hügel, auf dem ein weitläufiger Hain stand. Sahia schlug einen Haken in Richtung der Anhöhe und zog mich mit sich.
    »Das Aphonnon kehrt alle 49 Jahre wieder«, erzählte sie, während wir den Hügel emporschlenderten. »Es bedeutet nicht nur die Gleichheit von Tag und Nacht, sondern auch von Licht und Schatten, von Gut und Böse. Viele Menschen in den Dörfern fürchten sich davor. Sie sitzen tagelang in ihren verschlossenen Häusern und beten.«
    Wir erreichten die Bäume und bald darauf eine kleine Lichtung auf der dem Nil zugewandten Seite der Anhöhe. Vereinzelte Sträucher und Büsche schirmten uns vom Hotel und der nahen Straße ab und luden zum Verweilen und Versinken ein. Lediglich zum Fluss hin standen sie etwas lichter und erlaubten einen Blick auf einen Abschnitt der Nil-Promenade, den ich von der Hotelterrasse aus nicht hatte erkennen können, da der Seitenflügel des Sheraton die Sicht versperrte.
    Am Ufer hatte ein altertümliches, einmastiges Segelschiff angelegt. Es war relativ schmal gebaut und

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