Mortal Kiss Wem gehört dein Herz?
Wir haben alles ganz langsam durchgeführt, um sicherzugehen, den richtigen Effekt zu erreichen. Wir haben Glück, dass der Junge so stark ist. Er hat schon mehr ausgehalten als jeder normale Mensch. Und wisst ihr was? Mit der richtigen Silberlösung vermischt, hat sich seine Lebenskraft als sehr wirksam erwiesen. Zwar nicht ganz so wirksam wie bei einem tatsächlich übernatürlichen Wesen, aber was besagt das schon … ? Bettler können nicht wählerisch sein. Seine Lebenskraft ist jedenfalls stärker als die eines normalen Menschen. Und darum können wir jetzt, jetzt zur Endphase schreiten.«
»Koskay!«, brüllte Finn. Faye sah ihn an seinen Fesseln zerren. »Wenn Sie Lucas noch einmal berühren, bring ich Sie um. Das schwöre ich. Haben Sie verstanden? Ich schwöre es. Ich schwöre es … «
Der Russe lächelte nur amüsiert. Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, ging er zu einer Tastatur an der Wand neben Lucas’ Stuhl und drückte einen Knopf.
Ein Surren erfüllte den Raum, als eine Kachelwand beiseiteglitt und eine gläserne, ins Gestein gebaute Kammer zum Vorschein kam. Sie schien hermetisch abgeschlossen zu sein, und ein Gewirr von Metallröhren und Kabeln hing von der Decke. Armfesseln waren mit Nieten in den durchsichtigen Wänden angebracht.
Koskay drückte einen weiteren Knopf, und die Glastür glitt reibungslos auf. Er kam wieder auf die beiden zu und blieb vor Faye stehen.
»Das ist mein großartiges Gerät. Ist es nicht prächtig? Früher hab ich es für Menschen verwendet, dann wurde es an Lucas angepasst. Aber nun hat sich zu meiner Freude ergeben, dass ich mehr als bloß einen übernatürlichen Bruder zur Verfügung habe.«
Faye sah zu ihm hoch. »Was soll das heißen?« Die Kacheln ringsum warfen ihr Flüstern leise zurück.
»Ich bin kein gefühlskalter Mensch«, erwiderte Koskay, und seine Stimme klang vernünftig. »Und ich habe euch alle beobachtet. Mir ist klar, dass du, liebe Faye, die beiden Brüder sehr gern hast. Und warum auch nicht? Es sind zwei stattliche, stramme und gut aussehende amerikanische Jungen. Deshalb … lasse ich dich wählen.«
»Wählen … was wählen?«
Koskay zuckte mit den Achseln. »Welchen ich retten und welchen ich nehmen soll. Einen lass ich frei, und der andere wird sein übernatürliches Leben an mich weitergeben. Zwar wird er das überstehen, hinterher aber etwas anders aussehen als im Moment und sich zu meinen Dienern unten im Bergwerk gesellen.«
Er zog ein Taschenmesser aus der Jacke, ließ es aufschnappen, kniete nieder und schnitt rasch die Fesseln an Fayes Handgelenken durch.
»Fass sie nicht an!«, schrie Finn mit einer Wut, wie Faye sie nie gehört hatte. »Koskay …! «
Der Russe kümmerte sich nicht um ihn. Es war, als wäre Finn gar nicht da. Er zog Faye an sich und strich ihr mit dem Finger über die Wangenknochen.
»Du hast die Wahl, meine Liebe«, sagte er leise und hielt sie umarmt. »Wen liebst du mehr? Welchen soll ich verschonen … und welchen nicht?«
KAPITEL 21
Wähle!
F aye starrte Koskay an, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Ihr klangen die Ohren, und sie sah alles um sich herum verschwommen.
Hatte er wirklich gesagt, was sie gehört zu haben glaubte? Sie musste wählen? Zwischen Finn und Lucas? Sie musste einen bei lebendigem Leibe in den Tod schicken? Faye spürte ihre Knie nachgeben, doch Koskay hielt sie aufrecht und drückte sie so nah an sich, dass sie den ekelhaft süßen Gestank seines Rasierwassers roch.
Sie hörte Finns zusammenhangloses Wutgebrüll, das den Raum erzittern ließ, schob Koskay weg und entzog sich seiner Berührung. Blinzelnd zwang sie sich zur Konzentration.
»Na los«, sagte der Russe. »Entscheide dich! Das kannst nur du, Faye. Sag mir, wen du retten willst.«
Sie wandte sich langsam zu Lucas um, der noch immer bewusstlos auf dem Stuhl saß. Er wirkte so dünn und krank, als schwände sein Leben bereits dahin. Dann sah sie Finn an. Er schrie noch immer, kämpfte weiter gegen das Seil, das seine Hände fesselte, und zerrte so fest daran, dass die Adern an seinem Hals hervorgetreten waren. Als ihre Blicke sich trafen, verstummte er, und seine Augen brannten sich in ihre.
Sie schüttelte knapp den Kopf. »Das kann ich nicht«, sagte sie zu Koskay, und ihre Stimme klang dabei ruhig und zugleich völlig fremd. Ihr war schwindlig zumute, und sie fühlte sich seltsam weit weg. »Ich kann nicht wählen. Sie können mich nicht dazu zwingen. Ich kann nicht.«
Koskay verzog missbilligend das
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