Mortal Kiss Wem gehört dein Herz?
handgeschriebene rote und blaue Worte seit Jahrzehnten abzublättern schienen. WILLKOMMEN IN SILVER CROSS, DER HEIMAT DES AMERIKANISCHEN SILBERS!, hieß es dort, und stolz war vermerkt: 236 EINWOHNER!
»Gott«, sagte Liz und starrte, als sie sich dem Ort näherten, auf die herrenlosen Autos am Straßenrand. »Und ich dachte, in Winter Mill ist nichts los … «
Jimmy schwieg. Liz blickte zu ihm rüber und sah ihn die Stirn runzeln. Seine Finger umklammerten das Lenkrad.
»Alles in Ordnung?«
Er lächelte, doch sie merkte, dass er es sich abgezwungen hatte. »Ja«, antwortete er. »Ich hab mich nur … plötzlich etwas seltsam gefühlt. Ich bin müde. Aber sonst ist alles prima. Wir halten ja gleich.«
»Also wenn ich wieder ans Steuer soll … « Liz verstummte und sah sich nach etwas um, an dem sie gerade vorbeigekommen waren. »Oh mein Gott! Jimmy, STOPP!«
»Was ist denn?«, fragte er verwirrt.
»Halt an, halt einfach an!«
Er tat, wie ihm geheißen, und bremste auf freier Strecke. Noch ehe er den Motor abgeschaltet hatte, öffnete Liz die Tür, sprang raus und rannte durch den heißen Staub auf das Auto zu, das sie im Vorbeifahren gesehen hatte.
»Liz«, rief Jimmy ihr nach, stieg aus und folgte ihr. »Was machst du denn?«
»Sieh doch«, fauchte sie. »Das ist Fayes Auto!«
Jimmy bekam große Augen, als er den kleinen roten Wagen betrachtete, der schräg zur Straße geparkt war.
Die Hände auf den Hüften, ging Liz um das Auto herum. Der Wagen war offensichtlich rasch verlassen worden. Die Türen standen offen, als hätten Finn und Faye nicht mal Zeit gehabt, sie zu schließen. Liz sah durch das zerbrochene Heckfenster. »Der Koffer, den ich Faye gegeben habe, ist noch da. Oh Jimmy, was ist mit den beiden passiert?«
Er kam zu ihr, legte ihr den Arm um die Schultern und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Aber die Antwort finden wir sicher in der Stadt.«
Sie fuhren langsamer weiter und parkten neben einem Postamt, das seit 1895 nicht mehr in Betrieb zu sein schien. Nirgends war irgendwer oder irgendwas zu sehen. Der Ort war verlassen.
Es fröstelte Liz, als sie aus dem Wagen stieg.
»Was sollen wir tun?«, fragte sie. »Wo fangen wir an?«
Jimmy wollte schon den Kopf schütteln, rief stattdessen aber: »Sieh mal, da ist jemand.«
Liz drehte sich um und sah einen ungepflegten Mann um die Ecke eines alten Holzhauses geschlurft kommen. Er war groß, ging aber gebeugt und trug trotz der Hitze Jeans und eine alte Lederjacke.
Sie lief auf ihn zu. »Äh, Sir? Hallo? Tut mir leid, aber … «
Der Mann schien nichts gehört zu haben. Er sprach murmelnd mit sich selbst.
»Sir?«, begann Liz erneut. »Sir, können Sie uns helfen? Ich … « Da er erst dann Notiz von ihr nehmen würde, wenn sie etwas Drastischeres tat, pflanzte sie sich direkt vor ihm auf. »Sir?«, rief sie ein drittes Mal.
Mit einem Ruck sah der Mann auf, musterte sie erstaunt und wandte sich auch Jimmy zu. »Ach!« Er blickte finster. »Ichdachte, ihr seid längst verschwunden. Die Sonne ist ja schon eine Weile draußen. Hab ich nicht gesagt, ihr sollt weiterreisen? Was ist? Braucht ihr eine Wegbeschreibung?«
Liz runzelte die Stirn. »Nein, Sir, nein, wir brauchen keine Wegbeschreibung.«
»Moment«, sagte Jimmy. »Wir sind uns noch nie begegnet, Sir, oder?«
Der Mann blinzelte zu ihm hoch. »Aber sicher. Gestern Abend erst. Oder vielleicht vorgestern Abend. Ihr habt eine Möglichkeit zum Übernachten gesucht.«
»Das waren wir nicht«, versetzte Liz. »Das müssen unsere Freunde gewesen sein! Wir suchen nach ihnen. Können Sie uns sagen, wo sie hingegangen sind?«
Der Mann bekam schmale Augen und musterte sie von oben bis unten. »Ich kann euch zeigen, wo sie übernachtet haben. Aber wenn ihr zwei andere seid, sind sie sowieso nicht mehr da. Ich hab ihnen gesagt, sie sollen weiterziehen. Mr Koskay mag keine Besucher. Das hab ich ihnen erzählt.«
»Mr Koskay?«, fragte Jimmy. »Wer ist das?«
»Ihm gehört der ganze Ort«, erwiderte der Alte, wandte sich ab und ging schwankend weiter. »Hier lang … «
Liz ergriff Jimmys Hand, als sie ihrem Führer zu einem baufälligen Schuppen folgten. Jimmy spähte durch die Tür, drehte sich um und schüttelte den Kopf.
»Leer. Falls sie sich hier wirklich aufgehalten haben, sind sie wieder verschwunden.«
»Das hab ich euch ja gesagt«, erklärte der Alte. »Ich meinte doch, die sind sicher nicht mehr da. Die haben ihren Wagen genommen und sind raus in die Wüste
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