Mortal Kiss
Schulleiterin Barbie Finch saß an einem großen Schreibtisch in dem Zimmer, das zugleich die Zentrale des Miller war. Sie war eine steif wirkende Frau in den Fünfzigern und trug stets eng geschnittene Kostüme. Als Faye eintrat, blickte sie auf.
»Guten Morgen, Faye .« Sie warf einen raschen Blick auf die Wanduhr. »Kommst du nicht zu spät zum Unterricht ?«
»Ich wollte Sie nur wegen eines Artikels fragen, an dem ich gern arbeiten würde. Für die Zeitung .«
»Ach ja ?«
»Haben Sie von der Leiche gehört, die Sergeant Wilson oben im Wald gefunden hat ?«
Ms Finch nahm die Brille ab und hob eine Braue. »Eine Leiche ?«
»Ja … Es könnte sich sogar um Mord handeln. Und der Sergeant befürchtet, dass es einen Zusammenhang mit dem Auftauchen der Black Dogs gibt .«
»Mit was ?«
»Mit dem Auftauchen der Black Dogs. Das sind die Motorradfahrer, die seit Tagen außerhalb der Stadt zelten .«
»Faye, ich bin mir nicht sicher, ob etwas davon in eine Schulzeitung gehört .«
»Aber ja! Unbedingt! Das könnte ein echt investigativer Artikel werden. Wir können in den Randkolumnen Hintergrundinformationen über die Biker bringen. Woher sie kommen, zum Beispiel, und warum sie Black Dogs heißen. Und wir können darüber berichten, wie der Fall sich entwickelt. Und falls es wirklich Mord war und es zum Prozess kommt … «
Ms Finch hob die Hand. »Schluss jetzt, Faye. Ich bewundere deinen Enthusiasmus, aber das ist wirklich kein Thema für die Schulzeitung .«
»Aber Ms Finch … «
»Wie würdest du im Fall der Motorradfahrer denn genau recherchieren? Besitzt deine Tante ein Buch darüber ?«
»Über die Black Dogs nicht, aber … «
»Also, wie dann ?«
»Na ja, ich könnte einen von ihnen interviewen .«
»Faye McCarron, so etwas wirst du nicht tun .«
»Aber … «
»Keine Widerrede, Faye. Die Black Dogs sind tabu .«
»Na gut, dann beschränke ich mich eben auf die Leiche. Ich kann Sergeant Wilson interviewen .«
»Faye « , seufzte Ms Finch. »Bitte lass die Idee sausen. Die Schule soll nicht mit solchen Dingen in Verbindung gebracht werden .« Als sie Fayes niedergeschlagene Miene sah, schenkte sie ihr ein freundliches Lächeln. »Aber ich wollte dir ohnehin einen anderen Vorschlag machen, und zwar einen guten .«
»Ach ?« , fragte Faye, ohne sich etwas Interessanteres vorstellen zu können als die Geschichte, die sie gerade angeregt hatte.
»Ich möchte, dass du ein Interview mit Mercy Morrow machst. Einen lebensnahen Beitrag darüber, warum sie nach Winter Mill gekommen ist. Das wird sicher spannend, vor allem, weil sie und Lucas gerade absolutes Stadtgespräch sind. Sie sind ein echtes Rätsel. Kannst du das machen ?«
Faye zuckte leidenschaftslos mit den Achseln. »Sicher .«
»Das wird nicht leicht. Aber ich denke, es lohnt sich. Und es ist besser, als sich in die Gesellschaft dieser Motorradgang zu begeben. Okay ?«
Faye brachte ein Lächeln zuwege, unterdrückte einen Seufzer und warf sich die Schultasche über die Schulter. »Gut, Ms Finch, ich werde Sie nicht enttäuschen .«
Doch beim Rausgehen dachte sie unwillkürlich an Lucas’ unheimlichen Fahrer Ballard, und es fröstelte sie. Wenn Mercy Morrow solche Leute beschäftigte, was mochte sie dann für ein Mensch sein?
KAPITEL 6
Shopping Victims im siebten Himmel
W ider Erwarten war Faye etwas aufgeregt, als sie mit Liz zum Einkaufszentrum von Winter Mill unterwegs war. Seit Ewigkeiten war sie nicht mehr shoppen gewesen, und es war höchste Zeit, den Kleiderschrank aufzupeppen.
»Okay « , sagte Liz, als sie auf den Parkplatz bogen, zu ihrer Beifahrerin. »Ich denke mir das so: Candis Party wird garantiert eine der besten der Saison, richtig ?«
»Wahrscheinlich « , bestätigte Faye.
»Das schreit nach einem echt neuen Outfit « , verkündete Liz. »Ich denke, ich verprasse mein gesamtes neues Taschengeld bei MK !«
MK war die neueste Boutique in Winter Mills kleinem Einkaufszentrum, und die Mädchen konnten es kaum erwarten, dort zu shoppen. Bei MK hatten sie das Aktuellste von allen führenden Designern im Sortiment, und vor Weihnachten würde es dort vor schicken Kleidern nur so wimmeln. Doch der Betreiber hatte auch eine Abteilung für die jüngere Bevölkerung eingerichtet und angekündigt, sie mit den neuesten Entwürfen der gefragtesten Teenagerlabels zu bestücken. Kurz gesagt: So stellten Faye und Liz sich das Paradies vor.
»Boah « , raunte Liz, als sie den Wagen abstellte, und unterbrach Fayes selige
Weitere Kostenlose Bücher