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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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dieser nackte männliche Körper interessiert.
5
    Miss Molly riss sich von diesem Anblick los. Nicht etwa, weil sie sich nun für dieses Interesse geniert hätte. Obwohl sie sich möglicherweise über sich selbst wunderte. Aber darüber konnte sie später reflektieren.
    Jetzt galt es, weiter so praktisch zu denken wie bisher. Sie hatte diesen Mann, der ihr zugefallen war (vom Zufall oder vom Himmel geschickt), dazu gebracht, sich zu reinigen. Wenn sie nicht wollte, dass er seine dreckigen Klamotten wieder anzog, musste sie ihn mit irgendetwas anderem versorgen. Aber womit? Konnte sie ihm ihren Schlafrock anbieten? Nein, sie musste sich etwas anderes einfallen lassen.
    Irgendwo unten im Keller mussten doch noch ein paar Sachen von Giotto sein. Giotto war der erste Gärtner, von dem sich die Bianchis hatten trennen müssen. In Friedenszeiten hatten sie drei Gärtner beschäftigt, die sich der Beete, der Hecken und der Bäume im
giardino
annahmen. Aber mit dem Krieg war ihnen einer nach dem anderen abhandengekommen.
    Giotto, dessen schöner Name schon eine ästhetische Verpflichtung war, hatte sich vor allem um die Rosen gekümmert. Ein adretter junger Mann, der sich vor und nach der Arbeit im Garten gern umzog. Das tat er unten in einem der Kellerräume. Er war bei el-Alamein gefallen, er würde die Jacke und die Hose, die er zur Gartenarbeit getragen hatte, nicht mehr brauchen.
    Molly stieg die Treppe, auf der sie Mortimer zuerst nach oben gelotst hatte, wieder hinunter. Überwand ihre Raumangst. Trat in den Keller. Überwand auch ihren Ekel vor Staubknäueln und grindigen Spinnweben. Bemühte sich, ein leises Geraschel, das möglicherweise von Mäusen verursacht wurde, die vor ihren Schritten flohen, nicht weiter zu beachten. Sie war so tapfer, wie es die Situation erforderte.
    Sie fand einen Schrank, in dessen Fächern nicht nur Giottos Gärtnerkleider lagen, sondern auch einige Kerzenstummel. Ein wertvoller Fund, denn das Petroleum für die Lampe würde bei der immer trostloseren Versorgungslage dieser Tage bald ausgehen. Und verschloss die Kellertür hinter sich, ein bisschen asthmatisch hustend, aber dann aufatmend. Es kam jetzt darauf an, der Disposition zur Schwäche nicht nachzugeben.
    Sie kehrte zu ihrem Gast zurück, der sich inzwischen abgetrocknet und mit dem Handtuch umwickelt hatte. Er wusste sichtlich nicht recht, wo er mit sich hin sollte.
Sorry
, sagte Molly, sie habe nicht gleich gewusst, woher sie trockene Sachen für ihn nehmen sollte. Aber die hier habe sie immerhin gefunden, es seien die Kleider eines hier ehemals beschäftigten Gärtners, er solle probieren, ob sie im passten.
    Dass der Gärtner tot war, irgendwo in der Wüste verendet, ließ sie lieber unerwähnt. Vielleicht hätte das der Soldat, der jetzt in diese Zivilkleider schlüpfte, als schlechtes Omen aufgefasst. Er war eindeutig stärker gebaut als Giotto, den obersten Knopf der Hose, die ihm nur knapp bis über die Knöchel reichte, musste er offen lassen. Die Jacke spannte um die Schultern, und die Ärmel waren natürlich zu kurz.
    Aber er lächelte dankbar. Er hatte schöne Zähne.
Come along
, sagte Molly, und er folgte ihr in die kleine Küche. Nachdem sie ihm zu trinken und ihm die Gelegenheit gegeben hatte, sich zu reinigen, fand sie es angemessen, ihm etwas zu essen anzubieten.
Be nice and polite to strangers, lest they might be gods (or angels) in disguise
.
    Do you like
Panzanella?, fragte sie.
    I don

t know
, sagte er, aber er würde im Moment alles mögen, was den Hunger stillte.
What the hell is Panza-, what did you call it ...?
    Panzanella
, sagte sie. Perfekte Resteverwertung: Arme-Leute-Speise, aber auch eine Spezialität der Region.
    Altes Brot, in Wasser eingeweicht und mit den bloßen Händen ausgedrückt. Und dann vermischt mit
pomodori
und
basilico
.
    Mixed with
what
?
, fragte er.
    With tomatoes
and basil
, sagte sie.
    Sounds good
, sagte er.
    It
is
good
, sagte sie.
    Es war fast das Einzige, was sie im Haus hatte. Um die Wahrheit zu sagen: Sie ernährte sich schon seit Tagen von Panzanella. Zwar ließen die Bianchis die Englischlehrerin ihrer inzwischen erwachsenen Kinder nicht verhungern (Ferruccio brachte ihr manchmal sogar ein Stück Fleisch), aber selbst für die feinen Herrschaften wurde die Versorgung allmählich zum Problem. Die Deutschen, mit denen sie nolens volens gut auszukommen versuchten, requirierten fast alles, was sich beißen ließ.
    Molly stellte also die Schüssel mit Panzanella und zwei

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