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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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Teller auf den Tisch. Dazu zwei Becher und einen Krug mit Rotwein. Die Bianchis besaßen ja Weinberge und ließen sie bewirtschaften. Im vergangenen Herbst waren zwar nur mehr wenige Leute für die Lese verfügbar gewesen, aber noch hatte man nicht alle Trauben am Stock verderben lassen müssen.
    Messer und Gabel schienen dem Gast für die Panzanella nicht ganz das Richtige.
You

ve got a spoon?
Na schön, sie gab ihm einen Löffel. Er aß wie ein Bauer, den Arm mit der löffelnden Hand um den Teller gelegt. Als müsste er seine Ration gegen irgendjemanden verteidigen.
    Er aß schnell. Molly hatte ihm deutlich mehr auf den Teller gehäuft als sich selbst. Aber er war viel früher damit fertig. Er trank auch schnell. Trank den Becher in einem Zug aus. Goss den Wein buchstäblich der Panzanella nach.
    Und dann saß er da und schaute sie einfach an.
    Don

t stare
. Dieses Gebot kannte man drüben in Amerika offenbar nicht.
    Als sie noch ein junges Mädchen gewesen war, droben in England, war ein Kater ums Haus geschlichen und manchmal eingelassen worden, ein starkknochiger, semmelfarbener Kerl, den sie Ginger getauft hatte. Der hatte sie manchmal mit einem ganz ähnlichen Blick angeschaut.
    Nun schau nicht so, dachte sie. Du wirst schon noch etwas bekommen. Doch alles der Reihe nach, wir sollten die guten Sitten nicht ganz vergessen. Eigentlich war es längst an der Zeit, sich miteinander bekannt zu machen.
My name is Mary Kinley
, sagte sie. Und mit wem habe ich das Vergnügen?
    Mortimer Mellows, Pilot officer.
US
Air Force.
    Ja, sagte sie. Dass Sie nicht zur Infanterie gehören, habe ich mir fast gedacht. Sie hätten mich umbringen können, wissen Sie? Ohne mich auch nur zu kennen, hätten Sie mich umgebracht.
    Das stimmte doch: Angenommen, er hätte eine seiner Bomben über dem Mauerhaus abgeworfen ... Dann säßen sie jetzt nicht miteinander hier am Tisch ... Und wenn er die zweite Bombe etwas weiter drüben abgeworfen hätte, über der Piazza oder über der Casa del Popolo ... Dann hätte er noch viel mehr ihm völlig unbekannte Menschen ermordet oder verstümmelt.
    So gesehen war es eigentlich noch ein Glück, dass die deutsche Fliegerabwehr seine Maschine rechtzeitig gesehen und abgeschossen hatte ... Sonst wäre er nach Bolsena oder woher er auch kam, zurückgeflogen, mit dem Gefühl, seine Pflicht getan zu haben ...
That

s war
, hätte er dann vielleicht gedacht,
you can

t make an omelette without breaking eggs
... Es ging doch darum, die
Krauts
mürbe zu machen, wenn dabei Zivilpersonen zu Schaden kamen, war das bedauerlich, aber es war ein Beitrag zur Befreiung.
    Nur sei der Fall heute Nachmittag etwas anders gelegen, sagte er. Dieser Flug, bei dem er abgeschossen worden sei – hier brauchte er noch einen Schluck Wein –, sei überhaupt kein Bombenflug gewesen.
    So?, sagte sie. Und was sonst?
    Ein reiner Aufklärungsflug, sagte er. Ein Flug, um festzustellen, ob die Deutschen noch da seien.
    Aha, sagte sie. Und das haben Sie somit festgestellt.
    Ja, sagte er. Sieht so aus.
    Sie war nicht sicher, ob sie ihm glauben sollte.
    Er hielt ihrem Blick nicht ganz stand, senkte
seinen
Blick auf den leer gegessenen Teller.
    Das war nicht schlecht, sagte er. Ob er sich noch etwas aus der Schüssel nehmen dürfe.
    Bedienen Sie sich, sagte Molly. Und schenken Sie sich auch noch Wein nach. Aber trinken Sie ihn nicht zu schnell. Er ist schwerer, als Sie denken.
    Ich verstehe nichts von Wein, sagte er. Aber der da schmeckt mir.
    Und wollte sich nachschenken. Aber in diesem Moment gab es eine Detonation.
    Nicht in unmittelbarer Nähe, aber auch nicht sehr weit entfernt. Teller und Gläser auf dem Tisch zitterten beunruhigend. Seine Hand zitterte auch. Das war nicht nur die unmittelbare Erschütterung. Die überstandene, nein, die vorläufig überstandene Lebensgefahr hatte ihm ärger zugesetzt, als gut war.
    Natürlich wollte er sich das vor dieser Frau, die erstaunlich ruhig blieb, nicht anmerken lassen. Er war ein Mann, ein Soldat, der imstande sein sollte, einen Schrecken wie diesen wegzustecken. Dass ihm dieser Schrecken nach wie vor in den Knochen saß ... Nein, das wollte er auch vor sich selbst nicht wahrhaben.
    Zuvor war er doch ganz gut damit fertiggeworden. Hatte alles so gemacht, wie er es bei seiner Fliegerausbildung gelernt hatte. Wenn du getroffen bist und aussteigen musst, hast du durchaus eine Chance. Und war die Tatsache, dass er jetzt unversehrt hier saß, jedenfalls vorläufig, wie es schien,

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