Mortimer & Miss Molly
während seine, des Kommandanten, Soldaten mit immer weniger Beute von ihren Jagdzügen zurückkehrten ... Und die Weine, von denen anscheinend unerschöpfliche Vorräte in den Kellern lagerten, alle Achtung! ... Und die Süßigkeiten und der Cognac, alles ganz exquisit ... Nein, nicht nur das: Man unterhielt sich auch auf höchstem Niveau ... Der Major sprach einigermaßen Italienisch, obwohl es, wie der Marchese scherzhaft bemerkte, manchmal eher wie Latein klang ... Man plauderte über Puccini, über D’Annunzio und die Duse, Berühmtheiten, die diese Bianchis noch persönlich gekannt und mit denen sie auf Du und Du gewesen waren ... Ja, der Major, der aus einer, wie man so sagt, durchaus gutbürgerlichen Familie stammte – aber da hatte es doch gewisse Grenzen nach oben gegeben –, fühlte sich durch den Umgang mit diesen Leuten gehoben.
In den
giardino
hatte der Marchese den Kommandanten gleich am Anfang geführt. Kurz nachdem der das Kommando hier übernommen hatte. Er hatte darauf Wert gelegt, ihm zu zeigen, wie schön dieser Garten war. Aber offenbar hatte er auch die Absicht gehabt, allfälligen militärischen Begehrlichkeiten vorzubeugen.
Sehen Sie, hatte er gesagt, die Horti Valentini sind seit fast drei Jahrhunderten im Besitz unserer Familie. Infolge einer Schenkung durch Cosimo II von Medici. Wir haben einiges getan, um diesen Besitz zu erhalten. Er bedeutet uns auch einiges. Wir hoffen sehr, dass Sie dafür Verständnis haben.
Und der Kommandant hatte genickt – die Vorstellung, dass seine Soldaten die Beete zertrampeln könnten, behagte ihm auch nicht. Diese Beete waren zwar etwas verwildert, weil die Gärtner, wie ihm der Marchese erzählte, leider abhandengekommen waren, aber selbst in diesem Zustand waren sie schön. Der Kommandant hatte einen Blick fürs Ästhetische und überdies einen Sinn für Ironie. Das Argument, dass er auch das Mauerhaus, auf das er im Vorbeigehen ein durchaus interessiertes Auge geworfen hatte – denn darin hätte man eventuell ein paar höhere Chargen unterbringen können –, nicht beanspruchen müsse, weil es zu schmal für seine breitschultrigen Leute sei, dieses Argument, mit dem ihn der Marchese gleich vorweg entwaffnete, gefiel ihm.
Das Mauerhaus blieb also von den Deutschen verschont. Um seine Bewohnerin, eine scheue Dame, die sie kaum zu Gesicht bekamen, kümmerten sie sich vorerst nicht. Es war eine Person, die der Familie Bianchi nahestand, dem Marchese schien daran gelegen zu sein, dass man sie möglichst in Frieden ließ. Vielleicht hatte er einmal ein Verhältnis mit ihr, dachte der Major, so etwas soll ja vorkommen.
Irgendwann kam dem Major zu Ohren, dass die Dame bis vor kurzem Engländerin gewesen sei. Und dass sie das in den Augen der Leute nach wie vor war. Sieh mal an, dachte er und lud den Marchese zu einem vertraulichen Gespräch. Sie ist doch hoffentlich nicht auch noch Jüdin?, fragte er. Der Marchese verneinte.
Na dann, sagte der Major, müssen wir uns ja weiterhin nicht um sie kümmern. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass sich früher oder später die Burschen von der italienischen SS um sie kümmern würden. Seiner Ansicht nach sei das zwar eine höchst fragwürdige Truppe, aber diese Lümmel seien nun einmal losgelassen, und sie unterstünden unmittelbar dem Kommando Himmlers: Wenn die einmal im Spiel sind – der Major dämpfte die Zigarette aus, die ihm anscheinend nicht mehr schmeckte –, kann ich für nichts mehr garantieren.
9
Als Ferruccio an diesem Morgen am Mauerhaus vorbeikam und wie üblich die hübsche Messingglocke an der Eingangstür betätigte, dauerte es ungewöhnlich lang, bis ihm Miss Molly öffnete. Sie sah ihn groß an und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ach, Sie sind es, Ferruccio!, sagte sie, und das klang ein wenig, als ob sie aufatmete. Ich habe Sie nicht gleich gehört. Ich habe diese Nacht wenig geschlafen. Der Bombenalarm gestern Abend hat mich doch etwas erschreckt.
Es war nur ein einzelnes Flugzeug, sagte Ferruccio. Sie haben es abgeschossen. Das Wrack liegt da draußen, nicht weit vom Podere Colle.
Tatsächlich?, sagte Molly.
Ja, sagte Ferruccio. Ein Volltreffer ... Ich habe Ihnen ein bisschen Gemüse mitgebracht, sagte er und wies auf den Sack, den er auf den Treppenabsatz gestellt hatte.
Das tat er manchmal. Er und seine Frau hatten einen kleinen Garten hinter ihrem Häuschen. Das war etwas wert, besonders in Zeiten wie diesen. Ein bisschen was Grünes, sagte er, was halt so
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