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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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wächst. Ich werde es Ihnen gleich in die Küche hinauftragen.
    Lassen Sie nur, sagte Miss Molly, der Sack ist ja nicht schwer. Ich mach das schon selbst, Sie brauchen sich nicht zu bemühen. Es ist sehr nett von Ihnen und Ihrer Frau, dass Sie an mich denken. Liebe Grüße. Und mit diesen Worten nahm sie den Sack mit dem Gemüse und wollte die Tür schließen.
    Aber dann fiel ihr anscheinend noch etwas ein.
    Ach ja, Ferruccio!
    Miss Molly?
    Glauben Sie, dass Sie noch etwas Mehl für mich auftreiben könnten? Und ein paar Eier? Ich weiß, dass die ziemlich rar sind. Aber ich habe seit gestern einen ganz verrückten Appetit auf Pancakes.
    Wo
rauf?, fragte Ferruccio.
    Auf
frittate
, sagte Miss Molly.
Piccole frittate
. Kleine Pfannkuchen, mit ein bisschen Marmelade.
    Ferruccio lachte. Ich werde sehen, sagte er, was sich machen lässt.
    Schön, sagte sie. Und dann schloss sie wirklich die Tür.
    I gusti sono diversi
, dachte Ferruccio, die Geschmäcker sind verschieden. Frittate mit Marmelade? Wer mag denn so was? Aber er mochte Miss Molly. Und er würde schon besorgen, was sie wünschte. Und wenn er es aus der Küche der Bianchis abzweigte.
    In den folgenden Tagen hatte Miss Molly allerdings nicht nur ein paar weitere Sonderwünsche, sondern insgesamt überraschend viel Appetit. Diese sonst eher bedürfnislose – und in den Augen Ferruccios ehrlich gestanden auch etwas zu fleischlose – Frau brauchte ganz einfach mehr Lebensmittel als bisher. Ferruccio wunderte sich, doch er tat, was er konnte. Das war nicht ganz leicht, weil ja die Lebensmittel offiziell rationiert waren, was zwar für die Entourage der Bianchis nicht ganz so streng galt wie für gewöhnliche Leute, aber man musste doch aufpassen, dass man sich nicht den Neid und den Hass gerade dieser Leute zuzog.
    Auch Wasser brauchte sie mehr, als sie sonst gebraucht hatte. Ja, sagte sie, bei mir da oben unter dem Dach wird es jetzt manchmal schon recht heiß.
Davvero
, sagte Ferruccio, es ist schon fast wie im Sommer. Und pumpte am Brunnen und schleppte Kanister um Kanister.
    Denn das war etwas, das sie ihm überließ. Auch wenn sie nun sonst dazu neigte, ihm die Sachen, die er brachte, schon an der Eingangstür abzunehmen. Selbst wenn sie um einiges schwerer waren als das Gemüse, das er ihr am Tag nach dem Flugzeugabschuss gebracht hatte. Das war der Tag gewesen, an dem dieses doch etwas merkwürdige Verhalten begonnen hatte, daran erinnerte sich Ferruccio ganz gut.
    Die leeren Kanister stellte sie nun immer an den Treppenabsatz. Auch das etwas, das sie früher nur selten getan hatte. Aber mit den vollen Kanistern musste sie ihn zu sich hinaufsteigen lassen. Und das tat er mit von Mal zu Mal angespannteren Sinnen.
    Stellen Sie die Kanister gleich hier ab, sagte Miss Molly. Sie kam ihm jetzt immer ins
soggiorno
entgegen. Früher hatte er die Kanister ins Badezimmer und in die Küche gestellt. Aber die Tür, die vom
soggiorno
weiter führte, war jetzt meist geschlossen oder zumindest angelehnt.
    Glaubte sie wirklich, dass ihm das alles nicht auffiel? Nein. Das konnte sich Ferruccio nicht vorstellen. Ihn für so dumm zu halten, wäre eine Beleidigung gewesen! Aber wahrscheinlich hielt sie ihn nicht für so dumm, sondern für so diskret, und rechnete mit seiner Verschwiegenheit.
    Wenn das so war (und es konnte eigentlich gar nicht anders sein), war es keine Beleidigung, sondern eher das Gegenteil. Ein Vertrauensbeweis, der ihn sogar mit einem gewissen Stolz erfüllte. Indem sie ihn zum Mitwisser von etwas machte, das auf keinen Fall bekannt werden durfte, lieferte sie sich ihm ja geradezu aus. Aber sie verließ sich auf ihn, sie verließ sich auf seine Gutartigkeit und seine Anständigkeit, und was das betraf, sollte sie nicht enttäuscht werden.
    Falls sie sich allerdings auch darauf verließ, dass er nicht neugierig war, dass er einfach nobel über alle Indizien hinwegsah und hinweghörte, die für die Anwesenheit einer wahrscheinlich gefährdeten und sie selbst gefährdenden Person sprachen, so irrte sie sich. Natürlich war er neugierig, und er sah, was er sah, und er hörte, was er hörte. Sah zum Beispiel die Einbuchtung im Sofa, das im
soggiorno
stand, eine Einbuchtung, die ein etwas schwererer Mensch verursacht haben musste als Miss Molly. Und hörte eine gewisse Aufregung der gurrenden Vögel oben im Taubenschlag, weil sich Miss Mollys Gast anscheinend immer auf die Wendeltreppe zurückzog, die zum Taubenturm hinaufführte, wenn er, Ferruccio, mit den

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