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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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Wasserkanistern ankam.
    Er kannte das Mauerhaus ja ganz gut von innen. Er hatte hier einige Reparaturen durchgeführt. Zum Beispiel eben da oben, beim Taubenturm. Da gab es noch ein schützendes Dach, das man manchmal ausbessern musste – danach ging es dann nur mehr hinaus auf die offene Mauerkrone.
10
    Dorthin zog sich Mortimer auch zurück, als eines Tages unerwarteter Besuch kam. Es war am Vormittag, der frühe Morgen, an dem sie immer noch Razzien befürchteten, war vorbei. Als es unten an der Tür klingelte, gingen sie davon aus, dass es wahrscheinlich Ferruccio sei. Obwohl der erst gestern da gewesen war, aber vielleicht brachte er ja wieder etwas Nettes aus seinem Garten.
    Molly lief also die Treppe hinunter, um ihm zu öffnen. Doch die Stimme, die Mortimer dann hörte, war nicht Ferruccios Stimme. Offenbar blieb Molly nichts anderes übrig, als den Mann, der da geklingelt hatte, hereinzulassen. Und sie kamen miteinander die Treppe herauf, und Molly musste diesen Mann mit der für Mortimer fremden, sonoren Stimme offenbar weiterbitten. Und dann saßen sie anscheinend nicht im
soggiorno
, sondern in der Küche. Genau an dem Tisch, an dem er, Mortimer, nun schon so oft mit Molly gesessen war. Und Mortimer verharrte unentschieden etwa auf halber Höhe der Wendeltreppe. Sollte er ganz hinauf, bis zu den gurrenden Tauben, oder sollte er wieder ein Stück zurück, an die Tür, die er möglichst leise hinter sich geschlossen hatte, um zu hören, was die zwei redeten?
    Sie sprachen Italienisch, also verstand er fast kein Wort. Aber so viel bekam er mit, dass dieser Mann sehr eindringlich auf Molly einredete. In den vergangenen Tagen hatte sie ihm einiges von den Dienst- und Besitzverhältnissen rund um sie und das Mauerhaus erzählt. Er konnte sich also zusammenreimen, wer dieser Mann war: Das war kein anderer als der Marchese.
    Der Besuch des Marchese hätte Molly auch verstört, wenn Mortimer nicht da gewesen wäre. Ihr Gast, von dessen Anwesenheit niemand wissen durfte ... Ihr Schützling, den sie möglichst lange beschirmen wollte ... Es war Jahre her, dass sie der Signore beehrt hatte.
    Er war ein Mann, der jüngere Frauen liebte. Selbstverständlich liebte er auch seine ungefähr gleichaltrige Gattin, die Marchesa, aber das war etwas anderes.
Amore
ist nicht gleich
amore
. Die eine, die seriöse Form von
amore
, ist eine verantwortungsvolle Verpflichtung. Die andere, leichtere, ist ein immer wieder reizvolles Spiel, ein schöner Sport.
    So sah er das, der Marchese. Und so hatten es schon sein Vater und sein Großvater gesehen. Und wahrscheinlich seine ganze männliche Ahnenreihe. Auch solche Traditionen galt es zu wahren. Also hatte der Marchese fast selbstverständlich versucht, ein Verhältnis mit Miss Molly anzufangen.
    Sie hatte seine Avancen mit aller Diplomatie, zu der sie imstande war, abgewehrt. Aber der Marchese hatte nicht so schnell aufgegeben. Die Konsequenz, mit der sie ihm widerstand, reizte ihn. Ein klein wenig schien sie ihn auch zu amüsieren.
    Dass sie sich nichts aus Sex machte, wie sie prosaisch feststellte (seine Hand von ihrem Knie entfernend, bis zu dem er, poetische Reden führend, immerhin vorgedrungen war), wollte er nicht so ohne weiteres wahrhaben.
    Magst du lieber Frauen?
    Nein, hatte sie gesagt, sie möge die Literatur, die Musik und die Kunst.
    Aber damit, hatte er gemeint, könne und dürfe es doch nicht sein Bewenden haben. So eine Knospe wie sie dürfe doch nicht einfach verblühen, ohne aufgegangen zu sein!
    Er war kein Mann, der forderte oder gar Gewalt anwandte. Er saß bei ihr und plauderte, er sah sie an und lächelte charmant unter seinem gepflegten, damals noch nicht grauen Schnurrbart. Er brachte ihr Blumen und andere kleine Aufmerksamkeiten. Vielleicht würde sie es sich doch noch anders überlegen.
    Er war ihr nicht böse, er fasste ihre Verweigerung nicht als persönliche Beleidigung auf. Dass sie sich mit ihm auf kein Verhältnis einlassen wollte, und – wenn er ihr glauben wollte – auch mit sonst niemandem, hatte keine Rückwirkung auf ihr Dienstverhältnis. Er war ein Signore. Er war großzügig und nicht nachtragend. Aber nach und nach war die Frequenz seiner Besuche geringer geworden, und mit der Zeit (so um ihr dreißigstes Jahr) hatten sie eben aufgehört.
    Und nun war er wieder da. Was hatte das zu bedeuten?
    Darf ich mich setzen?, fragte er.
    Natürlich, sagte sie.
    Molly, sagte er. So leid es mir tut. Die Lage ist ernst. Du kannst nicht weiterhin hier

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