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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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bedenklich.
    Wollte Marco wirklich ausgerechnet zu Allerheiligen und Allerseelen nach Wien kommen?
    Ja, sagte er. Da gibt es ein Zeitfenster im Dienstplan. Er würde sich, sagte er, einen Flug leisten. Dann käme er Montagvormittag in Wien an und könnte Dienstagnacht zurückfliegen.
    Aber ..., sagte Julia, doch da redete er schon weiter. So hätten sie immerhin einen Tag mehr Zeit füreinander als in Verona. Und Julia könnte ihm
bella Vienna
zeigen. Vor allem jedoch würden sie einander lieben, denn für
amore senza stress
sollte in den rund vierzig Stunden eines solchen Aufenthalts doch genug Zeit bleiben.
    Aber just an diesen Tagen? Könnten es nicht zwei andere sein? Diese zwei Tage schienen ihr wirklich alles andere als ideal.
Senti
, Marco, hör zu – schon am Telefon versuchte sie ihm das schonend beizubringen. Wenn sie seine ohnehin leicht depressive Stimmung bedachte, kam ihr die Idee, gerade zu Allerheiligen zu kommen, absurd vor.
    Von wegen
bella Vienna
... Abgesehen davon, dass Anfang November in Wien wahrscheinlich die hässlichste Zeit im Jahr sei, pilgere am 1. und 2. dieses Monats die halbe Stadt auf die Friedhöfe. Ungeachtet der Tatsache, dass ja Allerheiligen ursprünglich ein Freudentag sein sollte. Ein Tag, an dem die Kirche die vielen Heiligen bejuble, die sie auf ihrem Weg Richtung Himmel hervorgebracht habe. Durch den unglücklicherweise gleich danach angesetzten Totengedenktag Allerseelen sei das jedenfalls in Wien, einer Stadt, der man nicht von ungefähr eine Neigung zur Nekrophilie nachsage, völlig in Vergessenheit geraten.
    Das schrieb sie allerdings erst in dem auf das Telefongespräch folgenden Brief. In einem Brief, in dem sie sich bemühte, ihre spontane Reaktion am Telefon zu begründen. Diese Reaktion, die Marco spürbar befremdet hatte. Es war ihr so vorgekommen, als wäre er einen Schritt vor ihr zurückgewichen.
    Ganz Wien, schrieb sie,
rieche
an diesen Tagen nach Friedhof. Mit einem Wort: Alle anderen Tage seien besser für einen Besuch hier geeignet als diese. Vielleicht übertrieb sie ja. Vielleicht saß sie ja einem Klischee auf. Aber nach dem frustrierenden Erlebnis von Verona sollte doch nicht wieder etwas schiefgehen.
    Marco hatte sich schon ein wenig auf Wien vorbereitet und offenbar in einem Kunstführer geblättert. Vor allem wollte er
Il Bacio
von Klimt im
Museo Belvedere
sehen. Zufällig hatte Julia erst vor kurzem etwas über dieses Bild in der Zeitung gelesen. Ob du es glaubst oder nicht, schrieb sie,
Der Kuss
von Klimt ist gerade verliehen.
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    Also wurde nichts aus Marcos Wien-Besuch Anfang November. Beleidigt nahm er Abstand von diesem Vorhaben. Natürlich wurde ein gewisses Misstrauen dadurch nicht geringer. Du willst nicht, dass ich komme.
Che cosa significa?
Was hat das zu bedeuten?
    Das habe, schrieb sie, gar nichts zu bedeuten. Auf jeden Fall nicht das, was er anscheinend glaube. Es komme darauf an, durchzuhalten und zu widerstehen. Daran hielt sie sich. Obwohl es nicht ganz leicht war.
    Fulvio machte ihr den Vorschlag, dass sie sich zur Nachhilfe statt im
Café Heumarkt
, das doch auf die Dauer etwas öd sei, namentlich jetzt, wo es dort immer ungemütlicher wurde, weil die Fenster nicht gut gedichtet waren und die Zentralheizung schlecht heizte, auch bei ihm treffen könnten. Seine Wohnung, in der es sogar eine Fußbodenheizung gebe, wie in Pompeji, sei gar nicht weit von hier entfernt. Julia sagte ihm, dass sie ihn durchaus charmant finde, aber den Verdacht habe, dass er ihr nicht nur Italienischnachhilfe geben wolle. Das sei nett von ihm, aber eine andere Art von Nachhilfe habe sie nicht nötig.
    Sie verstimmte ihn damit nur vorübergehend. Fulvio war nicht nachtragend. Allerdings brauchte sie auch in Italienisch nicht mehr so viele Stunden. Sie lernte ja schnell. Sie war sprachbegabt. Und es machte ihr Freude. Einmal pro Woche, darauf einigten sie sich für den Monat Dezember, würde auch reichen.
    Versuchungen gab es natürlich auch im Verlag. Manche von den Autoren, die dort aus und ein gingen, waren nur frech, einer war sogar unverschämt, aber zwei oder drei hatten ein gewisses Etwas. Und der Verlagschef, ein gepflegter Herr, der ein wenig so aussah, wie sie sich den Marchese Bianchi vorstellte, fragte sie eines Abends, als er schwungvoll in seinen mit einem feinen Maulwurfskragen besetzten Mantel schlüpfte, ob sie schon etwas vorhabe. Es würde ihm Freude machen, sie auf ein gepflegtes Souper in ein vor kurzem neu eröffnetes französisches

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