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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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Stunden nicht im Kulturinstitut?
    Nein, sagte Julia. Im Kulturinstitut gibt es keinen Raum für so was.
    Das klang etwas eigenartig in Marcos Ohren.
    Doch vielleicht lag es bloß an der Formulierung (bei allen Fortschritten war Julias Italienisch natürlich noch lang nicht perfekt).
    Sie treffe Fulvio, sagte sie, im Kaffeehaus.
    Aha, im Kaffeehaus.
    Ja, sagte sie. Im
Café Heumarkt
. Kein besonders schönes Café, aber günstig gelegen. Er habe es nicht weit vom Kulturinstitut bis dorthin, und sie habe es nicht weit vom Verlag, in dem sie jetzt halbtags arbeite.
    Das war ja etwas ganz Neues. Davon hatte sie ihm noch gar nichts erzählt.
    Das stehe in ihrem Brief, den sie ihm vor ein paar Tagen geschickt habe.
    So, sagte er. Diesen Brief habe er noch nicht erhalten.
    Zwar waren sie dazu übergegangen, die Briefe, die sie einander schickten, express aufzugeben, und letzthin hatte die Zustellung auch einigermaßen geklappt, aber wirklich darauf verlassen konnte man sich offenbar doch nicht.
    Caro Marco
, stand in diesem Brief, der dann zwei Tage später ankam, denk Dir, ich hab einen Job angenommen. Das muss sein, weil mir dieses blöde Dissertantenseminar nun für die Stunden fehlt, die mir zur weiteren Gewährung der Studienbeihilfe angerechnet werden. Leider habe ich die Lehrveranstaltungen, die ich noch besuchen wollte, etwas zu knapp kalkuliert. Fürs nächste Semester werde ich jedenfalls keine Beihilfe mehr bekommen.
    Ich bin aber, ehrlich gestanden, auch ganz froh über diese Entwicklung. So lerne ich einmal etwas anderes kennen. Und der Job, den ich zufällig gefunden habe, ist nicht anstrengend. Ein Job in einem Theaterverlag (Räumlichkeiten in einem alten Palais im ersten Bezirk) in der Nähe des Stadtparks.
    Vorläufig besteht meine Aufgabe darin, Manuskripte von neuen Stücken, die von diesem Verlag nicht gleich gedruckt, aber an Theater verschickt werden, zu fotokopieren. Auch zum Kaffeemachen werde ich manchmal eingeteilt, wenn Autoren oder Autorinnen vorbeikommen, um mit der Lektorin oder mit dem Chef persönlich zu sprechen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sich hier nach und nach auch noch andere Perspektiven ergeben. Jedenfalls bekomme ich ganz interessante Leute zu Gesicht (manche von den Autoren, die hier ein und aus gehen, sind übrigens unmögliche Figuren, aber andere sind ganz lieb).
    Auch das gab Marco zu denken. Zwar sagte er sich, dass es ja durchaus seine Richtigkeit habe ... Es liege doch auf der Hand, dass Julia unter diesen Umständen einen Job brauchte ... Julia, die, wie sie ihm wiederholt gesagt hatte, finanziell nicht mehr von ihren Eltern abhängig sein wollte ... Doch wie bereits im letzten Telefonat gab es auch in diesem Brief Formulierungen, die ihn befremdeten.
    Ganz liebe Autoren (
scrittori abbastanza cari
). Und andere Perspektiven (
prospettive diverse
). Marco hatte ganz einfach das Gefühl, dass da in Wien etwas im Schwange war, das ihm nicht recht sein konnte. Oder dass es womöglich schon im Gange war.
    Die Position, in die er da geriet, gefiel ihm keineswegs. Der eifersüchtige Freund in der Ferne, wie peinlich! Aber was sollte er tun gegen seine Gefühle? Ihm lag etwas an Julia. Er wurde immer nervöser.
20
    Für gewöhnlich rief er Julia zwei Mal pro Woche an. Und zwar zu vorher vereinbarten, fixen Stunden. Das hing einerseits mit seinen Dienstzeiten im Spital zusammen und anderseits damit, dass er in seinem Zimmer in Alessandria kein Telefon hatte. Zwar gab es damals noch an jeder zweiten Straßenecke eine Telefonzelle, doch die darin angebrachten Automaten fraßen die Münzen unverschämt rasch.
    Also war es am günstigsten, auf die Post zu gehen und ein Ferngespräch anzumelden. Was ihm aufgrund seiner Spitalsdienste nur zu bestimmten Stunden möglich war. Zu diesen Stunden wollte er auch sicher sein, seine Liebste zu erreichen. Sie erwartete seine Anrufe Dienstagnachmittag und Freitagabend.
    Nun kam er in Versuchung, außerhalb dieser Stunden anzurufen. Er widerstand dieser Versuchung einige Tage. Dann tat er es doch, einmal (Montag) auf dem Weg zum Spital, das andere Mal (Mittwoch) auf dem Weg vom Spital zurück. Das eine Mal aus einer Telefonzelle, das andere Mal aus einer Bar.
    Beide Male ließ er das Telefon nur kurz klingeln, vielleicht zu kurz. Aber wahrscheinlich war Julia ohnehin nicht zu Hause. Doch wenn es so war: Was bewies das? Rein gar nichts bewies das! Er kam sich blöd vor. Er verachtete sich für sein Misstrauen.
    Doch dann, Donnerstagnacht,

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