Morton, Kate
daran erinnern.«
Dann war
ich wieder allein, umgeben von dieser sonderbar gläsernen Stille, die eintritt,
wenn etwas zerbrochen wurde. Oben wurde eine Tür zugeschlagen.
Seitdem
waren zwei Wochen vergangen, und selbst für unsere Verhältnisse war die
Stimmung zwischen uns eisig. Wir gingen höflich miteinander um, einerseits
meinem Vater zuliebe, andererseits, weil das unser Stil war, nickten und
lächelten, sprachen jedoch kein Wort, das über Floskeln wie »Gib mir bitte das
Salz« hinausging. Ich fühlte mich bald schuldig und dann wieder nicht, war bald
stolz und neugierig auf das Mädchen, das Bücher geliebt hatte, so wie ich, und
dann verletzt und sauer auf die Frau, die sich weigerte, mir irgendetwas von
sich preiszugeben.
Aber vor
allem ärgerte ich mich, dass ich ihr überhaupt von den Briefen erzählt hatte.
Ich verfluchte alle, die behaupteten, dass Ehrlichkeit am längsten währt,
begann wieder, die Vermietungsannoncen zu studieren, und suchte darüber hinaus
jede Gelegenheit, mich rar zu machen. Das war nicht schwierig: Das vom
Ghostwriter überarbeitete Manuskript von Die Geister
der Romney Marsh war eingetroffen, und so hatte ich allen Grund, Überstunden
zu machen. Herbert freute sich über meine Gesellschaft. Mein Arbeitseifer,
bemerkte er, erinnere ihn an »die guten alten Zeiten«, als der Krieg endlich zu
Ende war und England sich wieder aufrappelte und er und Mr. Brown ständig
unterwegs waren, um Titel einzukaufen und Aufträge an Land zu ziehen.
Und
deswegen fuhr ich am Sonntag, nachdem ich die Ausdrucke mit den
Zeitungsartikeln eingesteckt, einen Blick auf die Uhr geworfen und festgestellt
hatte, dass es erst kurz nach eins war, nicht nach Hause. Dad saß auf heißen
Kohlen wegen meiner Nachforschungen in Sachen Entführung, aber er würde sich
bis zu unserer offiziellen Modermann-Sitzung am Abend gedulden müssen. Ich machte mich auf den Weg nach Notting
Hill, beflügelt von der Aussicht auf angenehme Gesellschaft, willkommene
Ablenkung und vielleicht sogar ein kleines Mittagessen.
Die Handlung wird ziemlich kompliziert
Ich hatte
ganz vergessen, dass Herbert übers Wochenende verreist war, um bei der
jährlichen Versammlung der Bookbinders Association einen Vortrag zu halten.
Bei Billing & Brown waren die Jalousien heruntergelassen, und das Büro war
düster und ohne Leben. Als ich das Haus betrat und mich vollkommene Stille empfing,
fühlte ich mich schrecklich niedergeschmettert.
»Jess?«,
rief ich hoffnungsvoll. »Jessie?« Kein freudiges Tapsen, kein Pfotenscharren
auf der Treppe zum Souterrain, nur Stille, die mir in Wellen entgegenschwappte.
Ein geliebtes Haus ohne seine rechtmäßigen Bewohner hat etwas zutiefst
Beunruhigendes, und in dem Moment hätte ich nichts lieber getan, als mich mit
Jess um den Platz auf dem Sofa zu streiten.
»Jessie?«
Nichts.
Was
bedeutete, dass Herbert sie nach Shrewsbury mitgenommen hatte und ich wirklich
allein war.
Egal,
munterte ich mich auf, es gab schließlich genug Arbeit, um mich den Nachmittag
über zu beschäftigen. Die Geister der
Romney Marsh sollte am Montag in den Druck gehen, und auch wenn es
bereits zweimal überarbeitet worden war, konnte es nicht schaden, es mir noch
einmal vorzunehmen. Ich zog die Jalousien hoch, schaltete meine
Schreibtischlampe ein, wobei ich alles so geräuschvoll wie möglich erledigte,
dann setzte ich mich und blätterte die Manuskriptseiten durch. Ich strich
Kommas, setzte sie wieder ein. Sinnierte über den Gebrauch von »doch« anstelle
von »aber«, ohne zu einem Schluss zu kommen, und markierte die Stelle, um
später noch einmal darüber nachzudenken. Nachdem ich auch bei den nächsten fünf
stilistischen Fragen zu keiner Lösung gelangt war, sagte ich mir, dass es ein
Ding der Unmöglichkeit war, sich mit leerem Magen konzentrieren zu wollen.
Herbert
hatte gekocht, und im Kühlschrank stand eine frische Kürbislasagne. Ich
schnitt ein Stück ab, wärmte es auf und ging mit dem Teller zurück an meinen
Schreibtisch. Weil ich das Manuskript des Ghostwriters nicht beschmutzen
wollte, schob ich es beiseite und nahm mir stattdessen die Artikel aus dem Milderhurst Mercury vor. Ich las den einen oder
anderen Absatz, betrachtete aber vor allem die Bilder. Schwarz-Weiß-Fotos haben
etwas Nostalgisches, das Fehlen von Farben vermittelt den Eindruck, als könnte
man durch den Tunnel der Zeit in die Vergangenheit blicken. Es gab zahlreiche
Fotos vom Schloss selbst, aufgenommen in verschiedenen
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