Morton, Kate
betrachtet doch eher banal sind, oder? Sie ist wahnsinnig geworden: Die Worte kamen einem leicht über
die Lippen, aber die Geschichte war ziemlich dünn, wie aus einem Groschenroman.
Mir war vor nicht allzu langer Zeit dasselbe passiert, und ich war auch nicht
wahnsinnig geworden. Nicht einmal ansatzweise.
Mein Herz
hatte angefangen, ziemlich heftig zu klopfen. Ich schnappte mir meine Tasche,
stopfte die Kopien hinein, brachte meinen schmutzigen Teller in die Küche. Ich
musste Tom Cavill finden. Warum war ich nicht eher darauf gekommen? Meine
Mutter würde mir nichts erzählen, Juniper war nicht in der Lage dazu. Aber er
war das fehlende Glied, die Antwort auf alles lag bei ihm, und ich musste mehr
über ihn in Erfahrung bringen.
Ich
schaltete die Schreibtischlampe aus, ließ die Jalousien herunter und schloss
die Haustür hinter mir ab. Ich bin ein Bücherwurm, und deswegen kam mir gar
keine andere Alternative in den Sinn: Ich eilte auf direktem Weg zurück zur
Bibliothek.
Miss Yeats
freute sich, mich zu sehen. »So schnell zurück?«, sagte sie mit einer
Begeisterung, wie man sie von einer lange vermissten Freundin erwarten würde.
»Aber Sie sind ja ganz nass! Sagen Sie bloß, es regnet schon wieder.«
Ich hatte
es noch nicht einmal bemerkt. »Ich habe keinen Schirm«, sagte ich.
»Macht
nichts. Sie werden schon wieder trocknen, und ich freue mich sehr, dass Sie
gekommen sind.« Sie nahm einen kleinen Stapel Papiere von ihrem Schreibtisch
und überreichte ihn mir mit einer Ehrfurcht, als wäre es der heilige Gral. »Ich
weiß, Sie haben gesagt, Sie hätten keine Zeit, aber ich habe trotzdem noch ein
bisschen weitergeforscht — das Pembroke-Farm-Institut«, sagte sie, und als sie
merkte, dass ich keinen Schimmer hatte, wovon sie redete, fügte sie hinzu: »Die
Schenkung von Raymond Blythe?«
»Ah.«
Jetzt erinnerte ich mich wieder. Seit dem Morgen schien eine Menge Zeit vergangen
zu sein. »Großartig. Vielen Dank.«
»Ich habe
alles ausgedruckt, was ich finden konnte. Ich habe versucht, Sie auf der Arbeit
anzurufen, aber Sie waren nicht da!«
Ich
bedankte mich noch einmal, überflog die Unterlagen, auf denen die
Naturschutzaktivitäten des Instituts aufgelistet waren, tat so, als würde ich
die Informationen sehr wichtig nehmen, und steckte sie in meine Umhängetasche.
»Ich freue mich schon darauf, das alles genauer zu studieren«, sagte ich. »Aber
zuerst muss ich mich um etwas anderes kümmern.« Ich erklärte ihr, dass ich nach
Informationen über einen bestimmten Mann suchte. »Er heißt Thomas Cavill. Er
war Soldat im Zweiten Weltkrieg, und davor war er Lehrer. Er hat in Elephant
and Castle gewohnt und gearbeitet.«
Sie
nickte. »Suchen Sie nach etwas Bestimmtem?«
Warum er
im Oktober 1941 nicht in
Schloss Milderhurst zum Abendessen erschienen war, warum Juniper Blythe in den
Wahnsinn getrieben wurde, warum meine Mutter sich weigerte, mir irgendetwas
über ihre Vergangenheit zu erzählen. »Eigentlich nicht«, sagte ich. »Alles,
was ich finden kann.«
Miss Yeats
war eine gute Fee. Während ich mich mit dem Mikrofilmlesegerät herumplagte, die
Vorrichtung zur Bildansteuerung verfluchte, die einfach keine kleinen Schritte
machen wollte, sondern immer gleich mehrere Wochen übersprang, huschte sie in
der Bibliothek herum, kramte, suchte, sammelte Unterlagen. Als wir uns nach
einer halben Stunde wieder zusammensetzten, hatte ich kaum mehr als heftige
Kopfschmerzen zu bieten, während sie ein kleines, aber ordentliches Dossier
zusammengestellt hatte.
Es war
nicht viel, erst recht nichts, was mit den Zeitungsartikeln über die Familie
Blythe und das Schloss vergleichbar gewesen wäre, aber immerhin war es ein
Anfang. Wir hatten eine kleine Geburtsanzeige aus der Bermondsey Gazette von 1916: »CAVILL. - Am 22. Februar
brachte Mrs. Thomas Cavill in St. Henshaw einen Sohn, Thomas, zur Welt«, dann
einen überschwänglichen Bericht im Southwark Star von 1937 unter der Überschrift »Lehrer gewinnt Lyrik-Preis« und
einen Artikel aus dem Jahr 1939 mit einer
ähnlich unzweideutigen Überschrift: »Lehrer meldet sich zum Kriegsdienst«. Der
zweite Artikel enthielt ein kleines Foto mit der Unterschrift »Mr. Thomas Cavill«,
aber die Kopie war so schlecht, dass ich nicht viel mehr erkennen konnte, als
dass es sich um einen jungen Mann mit Kopf und Schultern handelte, der eine
britische Armeeuniform trug. Das war ziemlich wenig an veröffentlichten Informationen
über das Leben eines Mannes, und ich war
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