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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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begegnete,
würde ich auf der Stelle eine umfassende Beichte ablegen. Schnell und leise
zog ich mich an, schlich ins Bad, um mich zu waschen und zu kämmen, holte
heimlich meine Umhängetasche aus dem Wohnzimmer - alles lief wie am Schnürchen,
bis ich in die Küche kam. Meine Mutter stand am Herd, den Gürtel ihres
Morgenmantels ein bisschen zu hoch geschnürt, sodass sie aussah wie ein
Schneemann.
    »Morgen,
Edie«, sagte sie mit einem Blick über die Schulter.
    Zu spät,
um den Rückzug anzutreten. »Morgen, Mum.«
    »Gut
geschlafen?«
    »Ja,
danke.«
    Während
ich nach einem Vorwand suchte, das Frühstück ausfallen zu lassen, stellte sie
eine dampfende Tasse Tee vor mir auf den Tisch. »Wie war's auf Samanthas
Party?«
    »Bunt.
Laut.« Ich lächelte. »Du kennst ja Sam.«
    »Ich habe
dich gestern Abend gar nicht kommen hören. Ich hatte dir etwas vom Abendessen
hingestellt.«
    »Ah ...«
    »Ich
wusste ja nicht, ob du noch Hunger haben würdest, aber wie ich sehe ...«
    »Ich war
ziemlich müde ...« »Natürlich.«
    Ich kam
mir vor wie ein Schuft! Und in ihrem unvorteilhaften Morgenmantel wirkte meine
Mutter verletzlicher denn je, was dazu führte, dass ich mich noch elender
fühlte. Ich setzte mich an den Tisch, wo sie die Teetasse hingestellt hatte,
holte entschlossen Luft und sagte: »Mum, ich muss dir etwas ...«
    »Au!« Sie
steckte den Finger kurz in den Mund und schüttelte ihn. »Der Dampf«, sagte sie
und pustete auf ihre Fingerspitze. »Das ist dieser blöde neue Wasserkessel.«
»Soll ich dir Eiswürfel holen?«
    »Ich halte
ihn einfach unter kaltes Wasser.« Sie trat an die Spüle. »Es liegt an der
Tülle. Ich weiß nicht, warum man Dingen, die bislang tadellos funktioniert
haben, ein neues Design verpassen muss.«
    Ich holte
noch einmal Luft, atmete aber wieder aus, als sie fortfuhr.
    »Ich
wünschte, die würden sich auf nützlichere Dinge konzentrieren. Ein Heilmittel
gegen Krebs zum Beispiel.« Sie drehte den Wasserhahn ab.
    »Mum, ich
muss dir unbedingt etwas ...«
    »Ich bin
gleich wieder da, Edie. Ich will nur eben deinem Vater den Tee bringen, ehe
die Glocke läutet.«
    Sie ging
nach oben. Während ich wartete, überlegte ich, was ich sagen sollte, wie ich es
ihr sagen sollte, ob es eine Möglichkeit gab, meine Sünde auf eine Weise zu
erklären, die sie verstehen würde. Eine kühne Hoffnung, die ich wieder
verwarf. Es gibt einfach keine nette Art, jemandem zu gestehen, dass man ihn
durchs Schlüsselloch beobachtet hat.
    Ich hörte
meine Eltern leise miteinander reden, dann die Tür, die geschlossen wurde, dann
Schritte auf der Treppe. Hastig stand ich auf. Was hatte ich mir überhaupt
gedacht? Ich brauchte mehr Zeit. Es wäre dumm, mit der Tür ins Haus zu fallen,
ich musste erst über alles nachdenken ... Aber dann war sie wieder in der Küche
und sagte: »So, das dürfte Seine Durchlaucht für die nächste Viertelstunde
zufriedenstellen«, und ich stand immer noch verlegen hinter meinem Stuhl, wie
eine schlechte Schauspielerin auf der Bühne.
    »Du gehst
schon?«, fragte sie überrascht. »Du hast deinen Tee ja noch gar nicht
ausgetrunken.«
    »Ich, äh
...«
    »Wolltest
du mir nicht etwas sagen?«
    Ich nahm
meine Teetasse und betrachtete ihren Inhalt. »Ich ...«
    »Ja?« Sie
band den Gürtel ihres Morgenrocks ein bisschen fester und sah mich leicht
besorgt an. »Was ist denn los?«
    Wem wollte
ich eigentlich etwas vormachen? Nachdenken, ein paar Stunden Aufschub, nichts
würde etwas ändern. Ich seufzte resigniert. »Ich habe etwas für dich.«
    Ich ging
in mein Zimmer und zog die Schachtel mit den Briefen unter dem Bett hervor.
    Als ich
wieder in die Küche kam, hatte sich eine senkrechte Falte auf der Stirn meiner
Mutter gebildet. Ich stellte die Schachtel auf den Tisch.
    »Pantoffeln?«
Sie runzelte die Stirn und schaute zuerst ihre Füße, die in Pantoffeln
steckten, dann mich an. »Sehr freundlich, Edie, man kann ja nie genug Pantoffeln
haben.«
    »Nein, das
sind keine ...«
    Plötzlich
lächelte sie. »Deine Großmutter hat immer solche getragen.« Wie sie mich
anschaute, wirkte sie auf einmal so ungeschützt, so unerwartet erfreut, dass
ich mich beherrschen musste, um nicht den Deckel von der Schachtel zu reißen
und mich als die Verräterin zu erkennen zu geben, die ich war. »Wusstest du
das, Edie? Hast du sie deswegen gekauft? Nicht zu glauben, dass du genau solche
gefunden hast...«
    »Das sind
keine Pantoffeln, Mum. Mach die Schachtel auf. Bitte. Mach sie einfach

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