Morton, Kate
Jahren, einige von den
Ländereien, ein ganz altes von Raymond Blythe und seinen Zwillingstöchtern aus
Anlass des Erscheinens vom Modermann. Fotos von
Percy Blythe, die steif und verlegen unter den Hochzeitsgästen eines Paars
namens Harold und Lucy Rogers steht, Percy Blythe, die bei der Eröffnung eines
Gemeindezentrums das Band zerschneidet, Percy Blythe, die eine signierte
Ausgabe des Modermann an die
Gewinnerin eines Gedichtwettbewerbs überreicht.
Ich ging
die Seiten noch einmal durch: Saffy war auf keinem einzigen Foto zu sehen, was
mir sonderbar erschien. Dass Juniper nicht mit auf den Fotos war, konnte ich
ja verstehen, aber wo war Saffy? Ich nahm mir einen Artikel vor, der das Ende
des Zweiten Weltkriegs feierte und einige Bürger des Dorfs für ihren tapferen
Einsatz an der Heimatfront lobte. Noch ein Foto von Percy Blythe, diesmal in
Uniform. Ich betrachtete es nachdenklich. Natürlich konnte es sein, dass Saffy
sich nicht gern fotografieren ließ. Und es konnte sein, dass sie sich strikt
geweigert hatte, sich in der Gemeinde zu engagieren. Für viel wahrscheinlicher
hielt ich es jedoch, nachdem ich die beiden zusammen erlebt hatte, dass sie
wusste, wo ihr Platz war. Mit einer Schwester wie Percy, einer Frau mit
eiserner Entschlusskraft und dem absoluten Willen, für den guten Namen ihrer
Familie einzustehen, wie konnte die arme Saffy darauf hoffen, ihr Lächeln in
der Zeitung abgebildet zu sehen?
Es war
kein gutes Foto, in keiner Weise schmeichelhaft. Percy stand im Vordergrund,
und das Foto war von unten aufgenommen worden, wahrscheinlich, um das Schloss
im Hintergrund ganz draufzubekommen. Der Winkel war schlecht gewählt und ließ
Percy riesenhaft und streng erscheinen, ein Eindruck, der durch ihr ernstes
Gesicht noch verstärkt wurde.
Ich sah
genauer hin. Im Hintergrund entdeckte ich etwas, das ich vorher übersehen
hatte, direkt hinter Percys kurzem Haarschopf. Ich wühlte in Herberts
Schublade, bis ich die Lupe fand, hielt sie über das Foto und kniff die Augen
zusammen. Dann lehnte ich mich verblüfft zurück. Genau, was ich vermutet
hatte. Jemand war auf dem Schlossdach. Auf dem First neben einer der Zinnen
saß eine Gestalt in einem langen, weißen Kleid. Mir war sofort klar, dass das
nur Juniper sein konnte, die arme, traurige Juniper.
Während
ich den winzigen weißen Fleck in der Nähe des Dachzimmerfensters betrachtete,
überkam mich eine Mischung aus Empörung und Traurigkeit. Und Zorn. Nicht zum
ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass Tom Cavill die Wurzel allen Übels war,
und ich stellte mir einmal mehr vor, was an jenem Oktoberabend passiert war,
als er Juniper das Herz gebrochen und ihr Leben ruiniert hatte. Das Szenario,
das ich mir ausgemalt hatte, war mittlerweile sehr detailliert, es war mir so
vertraut, dass es ablief wie ein altbekannter Film, einschließlich des
stimmungsvollen Soundtracks. Ich befand mich zusammen mit den Schwestern in dem
perfekt hergerichteten guten Zimmer, hörte ihnen zu, wie sie sich fragten, was
ihn so lange hatte aufhalten können, sah, wie Juniper begann, zum Opfer eines
Wahnsinns zu werden, der sie auffressen sollte, und dann passierte etwas.
Etwas, das noch nie zuvor passiert war.
Ich weiß
nicht, warum oder wie es dazu kam, aber die Erkenntnis kam plötzlich und siedend
heiß. Der Soundtrack meines Traums brach abrupt ab, die Bilder lösten sich
auf, und nur eins war klar: Es steckte mehr hinter dieser Geschichte. Es konnte
nicht anders sein. Denn keine Frau wird wahnsinnig, bloß weil ein Liebhaber
nicht auftaucht, oder? Auch nicht, wenn sie labil oder depressiv ist oder was
auch immer Mrs. Bird gemeint hatte, als sie von Junipers Anfällen gesprochen
hatte.
Ich ließ
den Mercury-Artikel auf den
Schreibtisch sinken und richtete mich auf. Ich hatte die traurige Geschichte
von Juniper Blythe für bare Münze genommen, weil meine Mutter zugegebenermaßen
recht hat: Ich habe eine blühende Fantasie und ein Faible für Geschichten mit
tragischem Ausgang. Aber das war kein Märchen, das war das wirkliche Leben, und
ich musste die Situation etwas kritischer ins Auge fassen. Ich bin Lektorin, es
ist mein Job, Geschichten auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen, und die
von Juniper Blythe enthielt einige Ungereimtheiten. Sie war zu simpel. Liebesaffären
gehen zu Ende, Menschen betrügen einander, Liebende trennen sich. Das Leben
ist voll von solchen persönlichen Tragödien, die vielleicht schrecklich sein
mögen, aber im größeren Zusammenhang
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