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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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atemlos.
    Saffy biss
sich auf die Lippe. Sie hatte das ungute Gefühl, dass sie einen großen Fehler
gemacht hatte, Meredith davon zu erzählen. Dabei hatte sie sie nur ein bisschen
aufmuntern wollen.
    Als Saffy
eine Weile schwieg, glaubte Meredith, sie traue ihr nicht zu, ein Geheimnis zu
hüten. »Ich sage ihr nichts, versprochen. Kein Wort. Ich kann Geheimnisse sehr
gut für mich behalten.«
    »Ach,
Meredith.« Saffy lächelte wehmütig. »Daran zweifle ich nicht. Das ist es nicht
... ja, ich fürchte, ich muss mich bei dir entschuldigen. Es war falsch, dich
zu bitten, Percy etwas zu verheimlichen. Kannst du mir verzeihen?«
    Als
Meredith feierlich nickte, entdeckte Saffy ein Funkeln in ihren Augen,
wahrscheinlich machte es sie stolz, wie eine Erwachsene behandelt zu werden.
Saffy musste daran denken, wie sie es in Merediths Alter kaum erwarten konnte,
endlich erwachsen zu werden, und sie fragte sich, ob es möglich war, den Weg
eines anderen Menschen zu verlangsamen. War es überhaupt zulässig, es zu
versuchen? Aber es konnte doch nicht verwerflich sein, Meredith davor bewahren
zu wollen, zu schnell erwachsen zu werden und mit den Enttäuschungen des Erwachsenenlebens
konfrontiert zu werden, so wie sie es bei Juniper versucht hatte.
    »So, meine
Kleine«, sagte sie und nahm Meredith den letzten Teller aus der Hand. »Ich
mache das hier fertig. Unternimm noch was Schönes, bis deine Eltern kommen, der
Tag ist viel zu herrlich, um zu arbeiten. Pass nur auf, dass dein Kleid nicht
schmutzig wird.«
    Meredith
trug eins von den Trägerkleidern, die Saffy ihr genäht hatte, als sie zu ihnen
gekommen war, ein hübsches Kleid aus einem Stoff von Liberty, den sie schon vor
Jahren bestellt hatte, nicht, weil sie ein Kinderkleid hatte nähen wollen, sondern
einfach, weil der Stoff ihr so gut gefallen hatte. Seitdem hatte er im
Nähzimmer gelegen und darauf gewartet, dass Saffy einen Verwendungszweck dafür
fand. Während Meredith zwischen den Bäumen verschwand, vergewisserte sich
Saffy, dass alles auf dem Tisch seine Ordnung hatte.
     
    Meredith lief ziellos durch das
hohe Gras, schlug mit einem Stock nach den Halmen und fragte sich, wie es sein
konnte, dass die Abwesenheit einer Person einen Tag so verderben konnte. Sie
ging über den Hügel bis zum Bach und folgte ihm bis zur Brücke an der Zufahrt.
    Sie
überlegte, ob sie noch weiter gehen sollte. Vielleicht bis in den Wald. Tief
hinein, dorthin, wo kein Sonnenlicht mehr durch die Baumkronen drang, die
Forellen verschwanden und das Wasser so dick wirkte wie Sirup. Immer tiefer
hinein, bis sie an den vergessenen Teich unter dem ältesten Baum des Cardarker-Walds
gelangte. An diese rabenschwarze Stelle, die ihr so unheimlich erschienen war,
zu Anfang, als sie noch nicht lang im Schloss war. Ihre Eltern wurden erst in
ungefähr einer Stunde erwartet, sie hatte noch Zeit, und sie kannte den Weg,
man musste nur dem glucksenden Bach folgen ...
    Aber ohne
Juniper würde es keinen Spaß machen. Dann war es nur dunkel und feucht und
stinkig. »Ist es nicht wunderbar hier?«, hatte Juniper gesagt, als sie zum
ersten Mal gemeinsam dort gewesen waren. Meredith hatte sich eher unwohl
gefühlt. Der alte Baumstamm, auf dem sie gesessen hatten, war kühl und feucht,
und ihre Stoffschuhe waren ganz nass gewesen, weil sie unterwegs an einem Stein
abgerutscht war. Es gab noch einen anderen Teich auf dem Anwesen, wo
Schmetterlinge und Vögel umherflatterten, wo an einem Ast eine Schaukel hing,
die im Sonnenlicht hin- und herschwang, und sie hatte sich sehnlichst
gewünscht, sie würden den Tag dort verbringen. Aber sie hatte nichts gesagt.
Juniper war so begeistert von dem Ort gewesen, dass Meredith die Schuld bei
sich selbst gesucht, sich für kindisch gehalten hatte, geglaubt hatte, sie
würde sich einfach nicht genug Mühe geben. Sie hatte sich ein Herz gefasst,
gelächelt und dann gesagt: »Ja.« Und dann noch einmal mit etwas mehr Nachdruck:
»Ja, es ist wunderbar hier.«
    Mit einer
einzigen fließenden Bewegung war Juniper aufgestanden, hatte die Arme
ausgebreitet und war auf Zehenspitzen auf einem umgestürzten Baumstamm
balanciert. »Es sind die Schatten«, hatte sie gesagt, »die Art, wie das
Schilfrohr sich am Ufer wiegt, beinahe heimlich, der Geruch nach Schlamm und
Feuchtigkeit und Fäulnis.« Sie hatte Meredith von der Seite angelächelt. »Es
ist wie in Urzeiten. Wenn ich dir sagen würde, wir hätten eine unsichtbare
Schwelle in die Vergangenheit überschritten, würdest du

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