Morton, Kate
mal bei uns gemacht. So möchte
es unser Vater.«
»Aber ich
verstehe nicht, warum Sie nicht beide mit am Tisch sitzen können.«
»Tja, eine
von uns muss im Haus bleiben für den Fall, dass unser Vater Hilfe braucht.«
»Aber
Percy ...«
«... freut
sich sehr auf den Nachmittag. Sie kann es gar nicht erwarten, deine Eltern
kennenzulernen.«
Saffy sah,
dass Meredith von ihren Argumenten nicht überzeugt war, ja, mehr noch, die
arme Kleine wirkte so enttäuscht, dass Saffy wohl alles getan hätte, um sie
wieder aufzumuntern. Sie suchte nach Ausflüchten, aber als Meredith einen
tiefen, traurigen Seufzer ausstieß, wurde Saffy schwach. »Ach, Merry«, sagte
sie, während sie verstohlen einen Blick in Richtung Haus warf. »Eigentlich
dürfte ich es dir nicht sagen. Aber es gibt tatsächlich noch einen anderen
Grund, warum ich im Haus bleiben muss.«
Sie setzte
sich ans Ende der wackeligen Gartenbank und bedeutete Meredith, neben ihr
Platz zu nehmen. Sie holte tief Luft und atmete entschlossen aus. Dann erzählte
sie Meredith von dem Anruf, den sie am Nachmittag erwartete. »Der Mann ist ein
sehr berühmter Sammler in London«, sagte sie. »Ich habe ihm geschrieben,
nachdem ich eine Anzeige in der Zeitung gelesen habe, in der er eine Assistentin
sucht, die ihm hilft, seine Sammlung zu katalogisieren. Und er hat mir geschrieben
und mir mitgeteilt, dass ihm meine Bewerbung gefallen hat und er mich heute
Nachmittag anruft, um die Einzelheiten mit mir zu besprechen.«
»Was
sammelt der Mann denn?«
Saffy
verschränkte die Hände unterm Kinn. »Archäologische Funde, Kunst, Bücher,
schöne Dinge - einfach himmlische .«
Merediths
sommersprossiges Gesicht leuchtete auf, und Saffy dachte noch einmal, was für
ein nettes Mädchen sie doch war und wie sehr sie sich in dem halben Jahr, seit
sie bei ihnen war, entwickelt hatte. Wie mager war sie anfangs gewesen! Doch
das blasse Städterkind mit den ärmlichen Kleidern hatte sich als ein kluges
Köpfchen erwiesen mit einem unstillbaren Wissensdurst.
»Kann ich
mir die Sammlung einmal anschauen?«, fragte Meredith. »Ich wollte schon immer
mal Funde aus Ägypten sehen.«
Saffy
lachte. »Natürlich kannst du das. Ich bin sicher, dass es Mr. Wieks eine Freude
sein wird, einer klugen jungen Dame wie dir seine Kostbarkeiten vorzuführen.«
Als
Meredith sie glücklich anstrahlte, meldete sich Saffys schlechtes Gewissen. War
es nicht sehr unvernünftig, ihr erst solche Flausen in den Kopf zu setzen und
dann von ihr zu verlangen, dass sie keinem ein Wort darüber sagte? »Also,
Merry«, sagte sie ernst. »Das ist alles sehr aufregend, aber du darfst nicht
vergessen, dass es sich um ein Geheimnis handelt. Percy weiß noch nichts davon,
und sie soll auch nichts davon erfahren.«
»Warum
denn nicht?« Merediths Augen weiteten sich. »Was würde sie denn tun?«
»Sie wäre
nicht glücklich, das kann ich dir versichern. Sie wird nicht wollen, dass ich
gehe. Sie mag keine Veränderungen, verstehst du, sie möchte, dass alles immer
so bleibt, wie es ist, dass wir drei zusammen hier im Schloss wohnen. Sie hat
so eine beschützerische Ader. So war sie schon immer.«
Meredith
nickte und nahm diesen Hinweis zur Familiensituation mit solchem Ernst auf,
dass Saffy fast damit rechnete, sie würde ihr kleines Notizbuch zücken und es
aufschreiben. Aber Saffy begriff, warum Meredith sich gerade für diesen Aspekt
interessierte; sie hatte genug von Merediths älterer Schwester gehört, um zu
wissen, dass Meredith von dieser nichts dergleichen kannte.
»Percy ist
meine Zwillingsschwester, und ich liebe sie sehr, aber manchmal, meine kleine
Merry, muss man auch an sich selbst denken. Das Glück im Leben kommt nicht von
allein, man muss danach greifen.« Sie lächelte und widerstand der Versuchung,
Meredith zu erzählen, dass es andere Gelegenheiten gegeben hatte, die sie
verpasst hatte. Einem Kind ein Geheimnis anzuvertrauen war eine Sache, es mit
den Enttäuschungen eines Erwachsenen zu belasten war etwas ganz anderes.
»Aber was
ist, wenn Sie nach London fahren?«, fragte Meredith. »Dann erfährt sie es doch
sowieso.«
»Ich sage
es ihr natürlich vorher«, erwiderte Saffy lachend. »Ich habe nicht vor, bei
Nacht und Nebel zu verschwinden, keine Sorge. Ganz bestimmt nicht. Aber ich
will mir vorher genau überlegen, wie ich es ihr beibringe, ohne ihr wehzutun.
Bis dahin ist es mir lieber, wenn sie nichts davon erfährt. Verstehst du das?«
»Ja«,
sagte Meredith ein bisschen
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